Mit dem folgenden Beitrag starten wir die Kurz-Reihe "Flucht in die DDR". 
In vier Beiträgen widmen wir uns den weniger bekannten, kleineren Gruppierungen, die aufgrund politischer Verfolgung seit Ende des Zweiten Weltkrieges in die sowjetische Besatzungszone und in die spätere DDR emigrierten. 

Spanier:innen in der DDR

Beginnen wollen wir unsere Reihe mit der Geschichte spanischer Migrant:innen in der DDR. Der Großteil dieser heterogenen Gruppe bestand aus etwa 90 spanischen Kommunist:innen und ihren Familien, die sich ab 1950 in der DDR aufhielten. Aufgrund ihres Engagements in der kommunistischen Partei Spaniens (PCE) und im spanischen Bürgerkrieg 1936 waren sie in ihrem faschistisch regierten Herkunftsland zwischen 1939 und 1975/77 nicht mehr sicher. In der DDR erhielten sie den Status als vorbildliche Freiheitskämpfer. Oft begegneten ihnen ihre deutschen Kolleg:innen und Behörden aber auch mit Misstrauen und widersprüchlichen Forderungen.

Frühe Wege aus Spanien nach Ostdeutschland

Sichtbar in der ostdeutschen Öffentlichkeit wurden spanische Migrant:innen erstmals seit der Einwanderung spanischer Kommunist:innen 1950. Dabei waren sie nicht die ersten Spanier:innen in der DDR. Bereits 1947 veröffentlichte eine spanische Vereinigung namens „Emigración Republicana Española“ (deutsch: Spanisch-Republikanische Emigration) eine gemeinsame politische Stellungnahme. Ihre Mitglieder bezeichneten sich als Opfer des Faschismus und forderten eine staatliche Anerkennung und Entschädigung für ihre Verfolgung und Misshandlung im Nationalsozialismus. Anders als bei der staatlich kontrollierten Einwanderung wenige Jahre später, blieb in ihrem Falle jedoch unklar, wann und wie sie tatsächlich in das Gebiet der späteren DDR immigriert waren.

Möglichkeiten, die historisch denkbar wären, gibt es mehrere: Vermutlich gelangten vereinzelt spanische Exilanten als Kriegsteilnehmer auf französischer Seite in deutsche Gefangenschaft. Andere engagierten sich in der Résistance und wurden während der Besetzung Frankreichs als Zwangsarbeiter:innen oder in Konzentrationslager nach Deutschland verschleppt. Da die Umstände ihrer Immigration allerdings nicht im Einzelfall nachverfolgt werden konnten, standen die spanischen Migrant:innen vor 1950 in der DDR unter Verdacht, zumindest teilweise freiwillig ins nationalsozialistische Deutschland eingewandert zu sein. Im Zuge dieses Verdachts distanzierte sich auch die PCE von den potenziellen spanischen Kollaborateur:innen der Nationalsozialist:innen.

Über Frankreich in die DDR seit 1950

Wie die nachfolgenden spanischen Migrant:innen gelangten die Mitglieder der Emigración Republicana Española (ERE) nach heutigem Stand tatsächlich über das besetzte Frankreich in die spätere DDR. Nach der Errichtung einer faschistischen Diktatur unter Francisco Franco in Spanien 1939 waren sie ins demokratische Frankreich geflüchtet. Dort konnten sie sich zunächst eine neue Existenz aufbauen und ihr politisches Engagement fortführen. Bis 1950 zählte die spanische PCE in Paris allein 8.000 Anhänger:innen. Im Zuge des Kalten Krieges veränderte sich ihr Status jedoch. Vom französischen Staat wurden die kommunistischen Oppositionellen aus Spanien verstärkt als politische Feinde im eigenen Land wahrgenommen.

1950 verhaftete die französische Polizei in einer groß angelegten Razzia über 250 Kommunist:innen aus unterschiedlichen Ländern. Unter ihnen befanden sich etwa 160 Spanier:innen. Anstelle einer Abschiebung ins weiterhin faschistische Herkunftsland, eröffneten die französischen Behörden den Festgenommenen die ‚Möglichkeit‘, in ein kommunistisches Land ihrer Wahl auszureisen. Inwiefern diese persönliche Wahl bei der Ausweisung beachtet wurde, ist bislang unklar. Fest steht, dass im Herbst 1950 rund 30 spanische Kommunisten unter französischer Aufsicht zur innerdeutschen Grenze geleitet wurden. Ein Jahr später folgten in einer zweite Ausweisung ihre Frauen und Kinder, die nun ebenfalls in der DDR Asyl fanden.

Ankunft und Aufnahme in der DDR

Dabei sah sich der ostdeutsche Staat grundsätzlich nicht zur Aufnahme der spanischen Exilant:innen verpflichtet. Zwar forderte die Verfassung aus dem Jahr 1949 die Aufnahme von politisch Verfolgten aus anderen Ländern, in der gängigen Praxis blieb Asylsuchenden dieses Recht allerdings oft verwehrt. Auch die Genfer Flüchtlingskonvention 1951 unterzeichnete die DDR-Regierung nicht. Des Weiteren hatten die französischen Behörden vor der Ausweisung ausländischer Kommunist:innen keine Absprachen mit den entsprechenden Zielländern getroffen. Die Ankunft der rund 30 spanischen Kommunisten aus Frankreich kam für die ostdeutschen Grenzbehörden 1950 vollkommen unerwartet.

Dennoch erhielten die spanischen Ausgewiesenen nach ihrer Ankunft in der DDR sogleich einen Platz in ostdeutschen Auffanglagern. Anschließend vermittelte die staatliche Wohlfahrtsorganisation „Volkssolidarität“ langfristige Unterkünfte, sowie Arbeitsplätze und Sprachkurse. Zu diesen entgegenkommenden Maßnahmen griffen die Behörden nicht zuletzt, da sie in der Aufnahme der spanischen Exilant:innen ein innen- und außenpolitisches Potenzial erkannten.

Im Zeichen der „Internationalistischen Solidarität“

Ganz anders als die bereits bestehende, kleine, spanische Community in der DDR, waren die Ankommenden 1950 und 1951 von jedem Verdacht ausgeschlossen. Dass es sich bei ihnen nicht um Kollaborateure im Nationalsozialismus handeln konnte, galt in ihrem Fall als gesichert. Stattdessen entwickelte die ostdeutsche Staatspropaganda den „Mythos Spanien“ und mit ihm die hochgelobte Rolle des kommunistischen Freiheitskämpfers. Als Gegner des faschistischen Diktators und als politischer Feind des verhassten, demokratischen Westens, erhielten die spanischen Kommunisten geradezu einen Heldenstatus. Im Inland sollten sie DDR-Bürger:innen als Vorbild dienen. Außenpolitisch bewies der ostdeutsche Staat mit der Aufnahme spanischer Geflüchteter seine Hilfsbereitschaft und stärkte sein Verhältnis zur PCE, die vor allem im sowjetischen Exil agierte.

In diesem Sinn ermöglichte die SED-Regierung in den 1960er Jahren auch die befristete Aufnahme spanischer Widerstandskämpfer:innen in der DDR. Zu Kurzwecken, für medizinische Behandlungen uvm. reisten diese direkt aus der spanischen Diktatur in den ostdeutschen Staat. Nach wenigen Monaten verließen sie ihn aber wieder, um ihren Kampf im spanischen Untergrund fortzuführen. Während ihres Aufenthalts in der DDR erhielten sie rechtliche Privilegien, die den ostdeutschen Bürger:innen nicht zustanden. Auch die dauerhaft eingewanderten spanischen Kommunist:innen konnten auf Rechte wie der freien Ein- und Ausreise zurückgreifen.

Das komplizierte Verhältnis zum ostdeutschen Staat

Trotz ihrer Vorzeigerolle und mehreren Vorteilen von Seiten des Staates, blieben die spanischen Exilant:innen in der DDR nicht von staatlicher Überwachung und gesellschaftlicher Ausgrenzung verschont. Sowohl innerhalb ihrer Betriebe als auch bei Behördengängen und anderem begegneten ihnen Angehörige der deutschen Mehrheitsgesellschaft mit Misstrauen. Überliefert sind beispielsweise Berichte über Konflikte am Arbeitsplatz, die als Ursache schlechte „Sitten“ beziehungsweise starke charakterliche Mängel der spanischen Migrant:innen nennen. Befördert wurden diese Anschuldigungen auch durch die überzogenen und widersprüchlichen Erwartungen, die von Staatsseite an die Exilant:innen gestellt wurden.

Einerseits verlangten Behörden die vollständige Assimilation, vor allem im ostdeutschen Arbeitsumfeld der Spanier:innen. Von der Übernahme deutscher Essgewohnheiten beispielsweise bis hin zur bedingungslosen Loyalität gegenüber aller Maßnahmen der SED-Regierung sollten sie sich zu Musterbürger:innen der DDR entwickeln. Hierzu ermöglichte der Staat auch die Vergabe der DDR-Staatsbürgerschaft an die spanischen Exilant:innen. Andererseits betonten die Behörden unablässig ihre ausländische Herkunft. Auch mit DDR-Staatsbürgerschaft sollten die Migrant:innen und ihre Familien nur solange bleiben, bis sich eine Gelegenheit bot ins Herkunftsland Spanien zurückzukehren, die faschistische Diktatur zu stürzen und einen kommunistischen Staat zu errichten. Aufgrund dieser Mission hatte die SED-Regierung gar kein Interesse daran, die spanischen Migrant:innen als gleichwertige Staatsbürger:innen zu integrieren.

Zwischen Anpassung und Auflehnung

Viele der spanischen Exilant:innen und ihre Familien bemühten sich darum, den genannten Erwartungen gerecht zu werden. Andere wiederum zeigten weniger Verständnis für den ambivalenten Status, den sie in der DDR erhielten. So lehnten sie beispielsweise das wiederholte Angebot einer ostdeutschen Staatsbürgerschaft ab, behielten hierfür ihre spanischen Pässe. Diese liefen nach einigen Jahren jedoch ab. Da eine Verlängerung der Pässe durch spanische Behörden bislang undenkbar blieb, rutschten die Betroffenen in die Staatenlosigkeit.

Dies wiederum führte zu neuen Konflikten mit den ostdeutschen Behörden. Dass es manche Exil-Spanier:innen nach jahrelangem Aufenthalt in der DDR als Schikane empfanden, zweimal im Jahr beim Amt vorsprechen zu müssen, stieß ihrerseits auf Unverständnis. Aus ihren Antwortschreiben auf Beschwerden und aus unterschiedlichen Berichten geht eine oftmals herabschauende Sichtweise hervor. Offenbar galten die spanischen Migrant:innen nur solang als „mündige“ Mitbürger:innen, solange sie unterwürfige Dankbarkeit gegenüber ihrem „Gastgeberland“ zur Schau stellten. Wer sich dagegen sogar zur riskanten Ausreise ins faschistische Spanien entschloss, machte sich laut den ostdeutschen Behörden zum Verräter oder zeigte angeblich Anzeichen geistiger Krankheiten.

Getrennte Wege

Im Verlauf der 1960er und vor allem der 1970er Jahre nahmen Konflikte zwischen staatlichen Einrichtungen und spanischen Bürger:innen in der DDR weiter zu. Grund dafür war unter anderem ein außenpolitischer Kurswechsel der SED-Regierung. Während das Verhältnis zur PCE auf der einen Seite abkühlte, versuchte sie auf der anderen Seite Kontakte zum faschistischen Regime in Spanien aufzubauen. Zwar handelte es sich dabei grundsätzlich um einen ideologischen Feind. Allerdings hoffte der ostdeutsche Staat damit, seine außenpolitische Isolation zu überwinden.

Nach dem Tod des Diktators Francisco Franco im Jahr 1975 brach das faschistische Regime in Spanien schließlich zusammen. Anstatt eine kommunistische Erneuerung des Landes durchzuführen, verlor die 1977 erstmals wieder legalisierte PCE an Bedeutung. Da eine politische Verfolgung im Herkunftsland nicht mehr zu fürchten und die weitere Vorbereitung auf einen politischen Umbruch gleichfalls sinnlos erschien, entschloss sich ab 1977 ein großer Teil der spanischen oder spanischstämmigen Bürger:innen zur Ausreise nach Spanien. Einige jedoch, die trotz aller Widerstände Anschluss in ihrem deutschen Umfeld gefunden hatten und/oder sich mit dem ostdeutschen System identifizierten, blieben.

(K)ein Erbe in Deutschland?

In der deutschen Öffentlichkeit vor und nach der Friedlichen Revolution 1989 blieb die Geschichte der spanischen Exilant:innen in der DDR lange Zeit unsichtbar. Auch die historische Forschung setzt sich seit 2000 nur vereinzelt mit dem Schicksal der kleinen migrantischen Minderheit auseinander. Empfehlenswerte Einblicke in die Thematik geben unter anderem Berichte der Historiker Axel Kreienbrink und Patrice G. Poutrus. In popkulturellen oder erinnerungspolitischen Formaten kommt die spanisch-ostdeutsche Geschichte bislang kaum zum Tragen.

Einen Anfang macht der 2022 erstmals im Deutschen erschienene Roman „Die Tochter des Kommunisten“ von Aroa Moreno Durán. Er erzählt die fiktive Geschichte einer jungen Frau, die in Ost-Berlin als Tochter eines spanischen Exilanten und enthusiastischen, ostdeutschen Staatsbürgers aufwächst. Auf 175 Seiten erhalten Leser:innen Einblicke in innerfamiliäre Konflikte und komplizierte Verhältnisse zum spanischen Herkunftsland der Eltern, mit denen die Protagonistin fertig werden muss. Anders als bisherige historische Untersuchungen ist es in dieser Erzählung also die migrantische Sichtweise aus der wir auf die Vergangenheit der spanischen DDR-Bürger:innen zurückblicken.

Titelbild: Das Foto zeigt einen Ausschnitt des Denkmals für deutsche Spanienkämpfer, erbaut von Fritz Cremer im Volkspark Friedrichshain (Berlin) 1967/68. Das Denkmal zählt ebenso wie das Lied "Spaniens Himmel" von Paul Dessau zu populären, ideologischen Darstellungen in der DDR. Sie schildern den "Mythos Spanien": Die Solidarität zwischen spanischen und deutschen Kommunist:innen und ihr gemeinsamer Kampf gegen den Faschismus. Foto: Spreetom,CC BY-SA 3.0. 

Über den Autor

Ines S.

Ines studiert Public History an der Freien Universität Berlin.

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