Volle Regionalbahnen und ausgebuchte Campingplätze. Die Deutschen reisen wieder vermehrt im Inland. Dabei hat das innerdeutsche Reisen eine lange Tradition. Vor allem in der DDR waren die meisten Bürger:innen – gezwungener Maßen – vor allem innerhalb Deutschlands unterwegs. Beliebte Ziele waren das Ostseebad, der Thüringer Wald oder auch die eigene Datsche am Ortsausgang. In der BRD kam ab Mitte der 1950er und 1960er Jahre neben Österreich, besonders Italien als Urlaubsziel in Mode. Eine kleine Geschichte über das Reisen in und aus Deutschland.

Von Reisen keine Rede

Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die meisten Deutschen wohl kaum Zeit und Geld für eine Reise ins Ausland. Wer durch Bombeneinschläge sein Zuhause verloren hatte oder aus den ehemaligen Ostpreußischen Gebieten stammte, für die:denjenigen bedeutete Umherziehen vor allem die Suche nach einer neuen Bleibe. Andere machten sich alleine oder in sogenannten Hamsterzügen auf den Weg. Dabei galt es Essen und andere lebensnotwendige Utensilien zu ergattern. Von Urlaubsreisen konnte derweil nicht die Rede sein. Im ehemaligen Feindesland waren die Deutschen ohnehin nicht beliebt. Außer Kriegsgefangene, denen die Heimreise noch nicht gestattet wurde, blieben die meisten Deutschen zunächst in ihrem eigenen, geteilten Land.

Urlaub in Grenzen

Bereits 1947 gründete der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) der sowjetischen Besatzungszone einen sogenannten Feriendienst. Im diesem Rahmen konnten Arbeitnehmer:innen gewerkschaftlich organisierte Familienurlaube machen. Die Ferienplätze des zentralen DDR-Reisebüros waren jedoch begrenzt. Genauso auch die Möglichkeiten für das Reisen auf eigene Faust. Mit zunehmender Abgrenzung von Ost und West blieben Fahrten ins westliche Ausland nahezu ausgeschlossen.

Nach dem Mauerbau dauerte es über zehn Jahre bis DDR-Bürger:innen Westbesuche in die BRD antreten konnten. Das wurde dann auch nur nach mehrmaliger Vorsprache bei der Polizei und mit einem speziellen Nachweis genehmigt. Immerhin: spätestens ab 1982 galten ein runder Geburtstag über 60, Taufen, Hochzeiten oder Beerdigungen für die Behörden als triftige Reisegründe. Außerdem konnten Senior:innen und ein beschränkter Personenkreis mit „Westprivileg“ – vor allem Wissenschaftler:innen und Künstler:innen – regelmäßiger in den Westen reisen.

Eine Möglichkeit zur Auslandsreise stellte für DDR-Bürger:innen der Urlaub im sozialistischen Ausland dar. Auch hier war man jedoch hauptsächlich in organisierten Gruppen unterwegs. Beliebt war vor allem die Schwarzmeerküste in Bulgarien. Die Sowjetunion wiederum durften nur wenige Gruppen und diese unter strengen Auflagen besuchen.

Campingplätze und Ferienheime

DDR-Trabant mit Wohnwagen. Foto: pixabay gemeinfrei

Bei alle diesen Einschränkungen ist es also kein Wunder, dass Ostdeutsche bis 1990 vor allem innerhalb der Landesgrenzen ihre Freizeit genossen. Dazu hatte der FDGB mehrere Ferienheime errichtet. Auch Betriebe pflegten eigene Unterkünfte, die für Gruppenreisen der Angestellten zur Verfügung standen. Wer lieber alleine oder mit der Familie privat verreisen wollte, entschied sich meist für den Campingplatz. Ob einfachem Zelt, dem praktischen „Klappi“-Anhänger oder der populären „Villa Sachsenruh“- die Ostseestrände füllten sich schnell. Auch die sächsische Schweiz oder der Thüringer Wald waren sehr beliebt. Als kleine Alternative zur Erholung im nahen Umfeld gab es auch sogenannte „Datschen“. An den Stadträndern und in angrenzenden Naherholungsgebieten entstanden ganze Siedlungen der privaten, kleinen Häusschen in Schrebergärten, die zumindest in der freien Zeit die Plattenbauwohnungen ersetzten.

Die Dolce Vita ruft

Auch in der Bundesrepublik blieben die Reisemöglichkeiten zunächst begrenzt. In den 1950er Jahren kam es zwar zu einem wirtschaftlichen Aufschwung, Reisen ins Ausland konnten sich aber nur die wenigsten leisten. Dementsprechend war östlich wie westlich der innerdeutschen Grenze Camping sehr angesagt. Neben privaten PKWs fuhren Reisebusse zu beliebten Reisezielen wie dem Schwarzwald oder der Nordseeküste. 1960 reisten auch noch über die Hälfte der westdeutschen Urlauber:innen mit der Bahn!

Spätestens in den 1960er Jahren ging es mit Auslandsreisen aus der BRD so richtig los. Zunächst standen Italien und Österreich ganz oben auf der Liste. Bella Italia hatte schon in den 1950er Jahren einen festen Platz in den Träumen der Westdeutschen eingenommen. Nicht umsonst drehten sich zahlreiche Schlagerlieder und Spielfilme um die große Landzunge im Mittelmeer. Der Weg dorthin war aber noch sehr beschwerlich. Wer sich zur Reise entschloss musste lange Autofahrten und enge Passstraßen in Kauf nehmen.

Reisevielfalt ab Mitte der 60er

Mitte der 1960er folgten schließlich erste Flüge nach Mallorca, ein paar Jahre später zum spanischen Festland. Hauptsache ab in den Süden! An Flugzeuge mussten sich die meisten Deutschen aber erst noch gewöhnen. Neben der Flugangst kamen noch hohe Kosten hinzu.

Spätestens Ende der 1970er und in den 80er Jahren vermehrten sich die Möglichkeiten mit wenig Geld zu verreisen. Gerade jungen Menschen machten sich mit dem Interrail oder kostenlos als Tramper auf den Weg quer durch Europa. Ganz anders verlief der Cluburlaub, den immer mehr Westdeutsche antraten. Statt einer spontanen und Risikoreichen Tour konnte man sich hier auf eine komplett durchorganisierte Reise begeben. Dabei wurden immer fernere Urlaubsziele angeboten. Wer es sich leisten konnte flog fortan auch nach Thailand oder Afrika.

Reisen in und aus Deutschland heute

„Reisefreiheit“ – das Wort des Jahres 1989: Die Forderung nach freien Reisemöglichkeiten spielte in der Friedlichen Revolution eine große Rolle – auch wenn es dabei nicht vorrangig um Urlaub ging. Mit der Grenzöffnung war es DDR-Bürger:innen das erste Mal seit fast 30 Jahren wieder möglich, ohne große Umstände nach Westdeutschland zu fahren. Reisen in die Gegenrichtung blieben dahingegen oftmals aus. Allgemein reisten Deutsche aus den neuen Bundesländern in den 90er Jahren häufiger als der westdeutsche Durchschnitt. Strandurlaube und Pauschalreisen reichten dabei weit hinter Wander- und Städtetouren zurück.

Heute ist das Reiseverhalten der Deutschen in den neuen und alten Bundesländern ausgeglichener. Eine Entwicklung, die dabei einen großen Einfluss ausübte, war das Aufkommen von „Billigflügen“ in den 1990er Jahren. Über Onlineportale gebucht lassen sich lange wie kurze Ausflüge spontan vom Sofa aus planen. Dennoch ist auch der Trend der weiten Fernreisen in den vergangenen Jahren rückläufig. Mit der weltweiten Covid-Pandemie und drastischen Klimaveränderungen sind umweltschonende Reisen im Inland wieder gefragt. Das Fahrrad steht hoch im Kurs. Aber auch damit kommt man sowohl an die Ostsee wie nach Italien.

Titelbild: Dolce Vita; Foto: Bernd Hildebrandt auf Pixabay 

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Über den Autor

Ines S.

Ines studiert Public History an der Freien Universität Berlin.

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