Der 17. September 1991 stellt einen dunklen Tag in der Geschichte von Hoyerswerda dar. An jenem Tag vor 30 Jahren wurden auf dem Marktplatz vietnamesische Händler von jungen Neonazis attackiert. Danach folgten fünf gewaltvolle Tage, gefüllt mit rassistischen Angriffen und einer Polizei, die nicht anwesend war.

In Hoyerswerda herrschte zur damaligen Zeit eine generelle Unsicherheit über die Zukunft nach der Wende und die Sicherheit der Arbeitsplätze.

Hintergrund

In der DDR wurden Arbeitskräfte benötigt, um das Personal für die Industrie zu stellen. So kamen auch in Hoyerswerda Vertragsarbeiter unter, vorrangig aus Vietnam oder Mosambik. Sie lebten in einem Wohnheim für Vertragsarbeiter und arbeiteten in der Braunkohleindustrie. Anwohner berichteten von einer gegenseitigen Toleranz mit den 120 Vertragsarbeitern zu DDR-Zeiten. Doch das änderts sich nach 1989.

Der erste Angriff 1991 in Hoyerswerda

Die Opfer der ersten Attacke auf dem Marktplatz in Hoyerswerda flüchteten in das Wohnheim für Vertragsarbeiter. Nach nur wenigen Stunden versammelten sich zahlreiche Neonazis vor dem Wohnheim. Sie skandierten rechte Parolen und warfen mit Steinen. Die Polizei traf erst zwei Stunden später ein.

Rechtsfreie Tage in Hyerswerda

Der Schrecken für die Vertragsarbeiter hörte nicht auf. Am nächsten Abend versammelten sich erneut Neonazis vor dem Wohnheim. Doch dieses Mal führten sie die Angriffe nicht nur mit Steinen, sondern auch mit Molotowcocktails durch. Es bildeten sich Gruppen von Anwohnern, die das Geschehen betrachteten und sogar Beifall klatschten. Erneut gab es nur spärliches Eingreifen seitens der Polizei.

Flüchtlingswohnheim

In Hoyerswerda gab es neben dem Vertragsarbeiterwohnheim auch ein Flüchtlingswohnheim. Dort waren 240 Vietnamesen, Ghanaer, Rumänen und Iraner untergebracht. Am 20. September kam es auch hier zu Attacken mit Steinen und Molotowcocktails. Körperliche Angriffe erfolgten gegen die Ausländer, da die Neonazis auch von den Anwohnern und Sympathisanten Zurufe erhielten und angeheizt wurden.

Als Reaktion auf vorherige Angriffe und die aktuelle Lage in der Stadt entschied das Landratsamt Hoyerswerda, dass die einzige Lösung die Räumung des Heimes sei. Am nächsten Morgen wurden die Flüchtlinge mit dem SEK auf andere Unterkünfte weiterverteilt. Die meisten begaben sich weiter nach Berlin oder Niedersachsen.

Direkte Folgen

Innerhalb der fünf Tage vom 17.-23.9.1991 gab es 32 Verletzten und es kam zu 82 vorläufigen Festnahmen. Verurteilt wurden allerdings nur vier Personen. Nachahmer und 78 rassistische Angriffe gab es am folgenden Wochenende im Bundesgebiet. Eine antifaschistische Gegendemonstration mit 4.000 bis 5.000 Teilnehmern folgte am 27. September. Neonazis betitelten Hoyerswerda als „erste ausländerfreie Stadt“. Dieser Begriff wurde auch 1991 zum ersten Unwort des Jahres gewählt.

Deutschlandweite Auswirkungen

Die Angriffe in Hoyerswerda waren erst der Beginn von vielen weiteren rechtsradikalen Anschlägen gegen Ausländer. So ebnete diese Woche unter anderen den Weg für Rostock-Lichtenhagen ein Jahr später. Durch den geringen Eingriff der Polizei und einen so entstandenen rechtsfreien Raum, stellte dieser Anschlag schließlich auch den Schlüsselmoment für den NSU dar. Denn durch die Reihe losgelöster Angriffe und die geringen Konsequenzen konnte die Gewaltbereitschaft der rechten Szene immer weiter wachsen.

Nachwirkungen in Hoyerswerda

Die Stadt Hoyerswerda und engagierte Einwohnern fördern gemeinsam das Thema Toleranz und Offenheit und machen Angebote. Das zeigen Veranstaltungen wie „Tag und Nacht für Toleranz 2021“. Doch das Bild von Hoyerswerda in den Köpfen der Deutschen ist noch vom September 1991 geprägt.

Der 30. Jahrestag

Die Stadt hat mit engagierten Bürgern ein vielseitiges Programm zur Erinnerung und Aufarbeitung erstellt. Vom 17.-19.9.2021 findet das Gedenk-Wochenende „Hoyerswerda 1991 – Erinnerungen – Einsichten – Perspektiven“ statt.

Die Zeit ermöglichte eine gewisse Distanz zu den Ereignissen und half den schrecklichen Verlauf nun besser zu verstehen. Die Emotionalität der damaligen Ereignisse ist nun verblasst und die Zeit der Aufarbeitung, Entschuldigung und Erinnerung ist kam mit dem Umdenken der Stadt.

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Über den Autor

Leo W.

macht seit September 2021 einen Bundesfreiwilligendienst (Politik) in der Geschäftsstelle von Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. in Berlin.

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