Seit ihrem Entstehen sind die USA stark von freiwilliger und unfreiwilliger Zuwanderung aus aller Welt geprägt. Bis in das 20. Jahrhundert handelten sich die Vereinigten Staaten von Amerika hierfür den Titel des „melting pot“ ein. Obwohl diese Theorie einer einfachen Verschmelzung unterschiedlicher kultureller und ethnischer Enflüsse heute als überholt gilt, haben unterschiedliche Einwanderungsgruppen ihre Spuren im Land hinterlassen. So gibt es neben Nachkommen irischer, italienischer, chinesischer Einwanderer:innen – um nur wenige zu nennen – heute bis zu 50 Millionen US-Amerikaner:innen mit deutschen Vorfahr:innen. Einmal im Jahr, am 6. Oktober, feiern sie gemeinsam den sogenannten German-American Day.

Deutsche in Amerika – die Anfänge

Denken wir an deutsche Einwanderung in die USA fällt der Blick schnell auf das 19. Jahrhundert. Dabei gibt es bereits für das 17. Jahrhundert erste Quellen zu deutschen Siedler:innen in Pennsylvania. Nach einzelnen Einwander:innen zuvor gilt heute vor allem die Ankunft der ersten namhaften Gruppe im Jahr 1863 als Beginn der deutschen Migration nach Nordamerika. Zwei Jahre zuvor hatte der damalige englische König Charles II. das Gebiet als Teil der britischen Kolonie in Nordamerika dem Quäker William Penn „überlassen“. Dieser warb für seine eigene Kolonie weitere europäische Quäker:innen an. Darunter befanden sich auch die dreizehn Männer und Frauen aus der Nähe Krefelds, die am 6. Oktober 1683 in Philadelphia ankamen. Ihre Siedlung erhielt den Namen „Deitschesteddel“, heute „Germantown“, und ist als erste deutsche Siedlung in den USA bekannt.

Deutsche Immigration im 19. Jahrhundert

Im Laufe der folgenden beiden Jahrhunderte nach der Gründung der ersten deutschen Kolonie auf späterem US-Gebiet wuchs die Zahl der deutschen Einwander:innen schrittweise an. Seinen Höhepunkt erreichte der Zuzug aus deutschsprachigen Gebieten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Im Zuge der Märzrevolution 1848 und der anschließenden Verfolgung beteiligter Politiker wanderten viele deutsche Oppositionelle in die inzwischen unabhängigen Staaten der USA aus, der ersten langlebigen Demokratie der Neuzeit.

Ein anderes, noch wichtigeres Motiv zur Auswanderung aus deutschen Territorien waren wirtschaftliche Notstände. Infolge mehrerer Missernten in den 1840er Jahren und steigenden Arbeitslosenzahlen der 1870er, waren viele Deutschen dieser Zeit von Armut bis hin zu Hungersnot betroffen. Daraufhin versuchten einige zunächst in verschiedenen Städten, andere im entfernten, mystifizierten Amerika ihr Glück. Demnach, betont der Amerikanist Michael Hochgeschwender, handelte es sich bei den deutschen Einwander:innen im 19. Jahrhundert nach heutigem Sprachgebrauch um sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge.

Deutsche unter sich

Wie so oft erwies sich der Neuanfang im „gelobten Land“ für viele deutschen Einwander:innen im 19. Jahrhundert zunächst schwieriger als gedacht. Nur wenige konnten sich den amerikanischen Traum vom Tellerwäscher zum Millionär erfüllen. Dafür halfen Netzwerke anderer deutscher und deutschstämmiger Einwohner:innen vor Ort, sich zumindest eine bescheidene Existenz aufzubauen. So blieben auch die Deutschen in den USA lange Zeit unter sich, pflegten deutsche Traditionen, aßen typisch deutsche Gerichte und wohnten in nahezu homogen deutschen Siedlungen.

Eines der bekanntesten deutschen Siedlungsgebiete in den USA war das sogenannte „Little Germany“ in New York City. Das deutsche Viertel zählte bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts etwa 50.000 Einwohner:innen. Ihre Geschichte fand ein abruptes Ende am 15. Juni 1904 als ein Ausflugdampfer mit über 1.300 Passagieren, darunter hauptsächlich deutsche New Yorker:innen, im East River verunglückte. Die Mehrzahl der Passagiere starben. Daraufhin verließen ihre trauernden Angehörigen den Ort des Geschehens und aus der ehemals deutschen Wohngegend wurden chinesische und italienische Stadtteile.

Amerikaner:innen oder Deutsche: im Zwiespalt

Heute, über drei Jahrhunderte nach der Ankunft der ersten deutschen Einwander:innen, beschränkt sich das deutsche Kulturleben in den USA auf wenige Gegenden und Gewohnheiten. Vor allem im Kontext des Ersten Weltkrieges begannen deutschstämmige Amerikaner:innen, sich gezielt vom Herkunftsland ihrer Familien zu distanzieren. Allmählich verschwanden die deutsche Sprache, deutsche Vereine und einzelne Kulturgüter wie beispielsweise deutsche Lieder aus der Öffentlichkeit. Während des Zweiten Weltkrieges schließlich verstärkte sich diese Tendenz. Dies lag neben der allgemeinen Stimmung im Land auch an den Umständen der neuen Immigrationsbewegungen. Seit den 1930ern wählten vor allem jüdische Europäer:innen und andere Verfolgte im Nationalsozialismus den Weg in die USA.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts konnte sich der Ruf des deutschen Herkunftslandes in den USA ein wenig rehabilitieren. Viele deutsche Bräuche und Kultureinflüsse waren zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits verschwunden. Abgesehen von weitgehend geschlossenen Glaubensgemeinschaften wie den Amischen und Hutterern, sprechen die Nachkommen deutscher Einwander:innen in den USA heute nahezu ausschließlich Englisch.

Der German-American Day und ähnliche Feste

Die Entspannung zwischen den USA und Deutschland gegen Ende des 20. Jahrhunderts zeigte sich nicht zuletzt mit der Einführung des sogenannten German-American Day 1987. Anlässlich des 300. Jubiläums der ersten deutschen Siedlung in den heutigen USA legte der damalige US-Präsident Ronald Reagan, gemeinsam mit der Zustimmung des Senats, den Tag der Deutsch-Amerikaner:innen als Feiertag in den USA fest. Seither feiern jedes Jahr am 6. Oktober zahlreiche US-Amerikaner:innen ihre deutschen Wurzeln. Verknüpft wird dieser Festtag gerne auch mit der in den USA bekannten Tradition des bayrischen Oktoberfestes.

Neben Feierlichkeiten mit Bier und Volksliedern gehört es an diesem Tag zur Aufgabe des US-Präsidenten, eine offizielle Proklamation des Feiertages abzugeben. Darin werden traditionell die Leistungen und Beiträge deutscher Migrant:innen in den USA hervorgehoben. Darunter fallen neben kulinarischen und musikalischen Einflüssen, meist politische Aktivitäten wie einzelne deutsch-amerikanische Initiativen gegen Sklaverei, sowie Kämpfe für ein allgemeines Frauenwahlrecht im 19. Jahrhundert. Die größte Bekanntheit und als ein Anknüpfungspunkt für Deutschland-Fans in den USA hat bis heute der im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg bekannte preußische General Friedrich Wilhelm von Steuben. Schon seit 1957 wird seine Engagement auf Seiten der US-Amerikaner:innen Mitte September in einer großen Steuben Parade in New York City geehrt.

Titelfoto: Alexander Lesnitsky, Pixabay, gemeinfrei

Über den Autor

Ines S.

Ines studiert Public History an der Freien Universität Berlin.

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