Was erwartet man von einer Kreuzfahrt? Ein Raus aus dem Alltag, komplett abschalten, absoluten Komfort, 24h-Buffet sowie gut verdauliche Unterhaltung, richtig? All das versprach im Sommer 2023 ein Abend im B:CLUB am Staatsschauspiel Dresden. Dieser Abend wird leider nicht mehr aufgeführt. Doch war er so bemerkenswert, dass wir hier rückblickend auf das Stück und den Regisseur hinweisen möchten.

Der Reisende betritt das Boot mit dem Versprechen, hier befände er sich „fernab jeglicher Abschiebungsangst, Diskriminierung und Gewalt“. Stattdessen werde die Mannschaft für „unvergessliche Momente“ sorgen, komödiantischer, musikalischer wie gar kulinarischer Natur. Ein besonderes Highlight kommt in Form eines bordeigenen Zoos, wo, ganz entspannt aus der Liegestuhl-Zuschauerperspektive und mit einem Drink in der sicheren Hand, ein vielversprechendes „Justizgehege“ beobachtet werden kann. Und wer sich tatsächlich etwas weiter über die Reling zu beugen traut, der gebe sich mutig den Erzählungen der Crew-Mitglieder zum Thema „(All)Täglicher Rassismus in meinem Leben“ hin…

Auf zu neuen Ufern – aus sicherer Distanz. Es geht um Migration, Rassismus, Ostdeutschland. Schwere Inhalte leicht, aber authentisch aufzubereiten, das ist das Ziel bzw. das Talent des Autors, Anis Hamdoun.

Mitschnitt der Werkstattaufführung des B-Clubs UN(D)SICHTBAR von DINNOR ON SE BOOD. Dieser B:Club fand in Kooperation mit dem Forschungsprojekt ‚MigOst – Ostdeutsche Migrationsgesellschaft selbst erzählen‘ an der TU Dresden und weiteren Partnern statt.

(Alte) Heimat Syrien

Hamdoun kam 1985 in Homs, Syrien, zur Welt. Dort nahm er zunächst ein Chemiestudium auf und begann dann seine Karriere als Regisseur, Autor und Lehrer bzw. Mentor. In den folgenden Jahren arbeitete er unter anderem für seinen Großvater, selbst Regisseur, als Regieassistent und entwickelte Unterrichtsprogramme für Persönlichkeitsentwicklung von Schulkindern.

Nachdem 2012 unter dem Assad-Regime einer seiner Freunde verhaftet wurde, flüchtete Hamdoun über Ägypten nach Deutschland. 2013 landete er in Osnabrück. 

Der deutsch-syrische Tausendsassa schreibt Theaterstücke für deutsche wie europäische Bühnen und führt Regie bei Dokumentar- und Spielfilmen. Als Lehrer an der Berliner Schule für die darstellenden und bildenden Künste Die Etage und Mentor an der Universität der Künste Berlin bringt Anis Hamdoun jungen Künstlern sein Handwerk und zugleich seine Welt näher. Hamdoun gibt außerdem Schreib- und Stimmworkshops in 20 verschiedenen Städten in Deutschland, Dänemark und Italien.

Preise wie der Theaterpreis des Bundes, den Hamdoun 2019 für sein Göttinger Boat People Projekt erhielt, sind Anerkennungen seiner Ideen und deren Umsetzung. Sein Stück »The Trip«, das er am Theater Osnabrück aufführte, wurde beim nachtkritik-Theatertreffen 2015/16 von Jury und Lesern zur bemerkenswertesten Inszenierung der letzten zwölf Monate prämiert.

B:Club steht für Bürger:Bühne

Auf der Bürger:Bühne am Staatsschauspiel Dresden kommen seit mittlerweile 15 Jahren Menschen aus Dresden und Umgebung zusammen. Als Mehrgenerationenensemble bringen sie sozialkritische Inhalte und aktuelle Gesellschaftsthemen auf die Bühne und damit ins Bewusstsein der Zuschauer. Neben der „Entwicklung neuer ästhetischer Sprachen und Formen“ sollen hier Menschen aufeinandertreffen, die im Alltag kaum oder keine Berührungspunkte erleben. Stimmen aus Randgruppen soll hier Gehör verschafft werden.

Titelfoto: Screenshot des Mitschnitts des Staatsschauspiels Dresden der Werkstattaufführung des B-Clubs UN(D)SICHTBAR von DINNOR ON SE BOOD 2023

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Über den Autor

Antonia Kennel

... ist Schauspielerin, Hypnotherapeutin, NLP-Trainerin und Ärztin. Geboren und aufgewachsen in Bayerisch-Schwaben. In ihrer Freizeit schreibt sie für verschiedene Magazine.

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