Ende Zweiter Weltkrieg – im geteilten Nachkriegsdeutschland ist der Anblick von „Flüchtlingstrecks“ und umherziehenden Einzelpersonen auf der Suche nach einer neuen Bleibe keine Seltenheit. Heimkehrende Soldaten, Deutsche aus den ehemaligen Ostgebieten, Menschen deren Häuser in Schutt und Asche liegen sowie unzählige Displaced Persons aus ganz Europa durchqueren die Alliierten-Besatzungszonen.

Nahe der Grenze zwischen dem amerikanischen, dem sowjetischen und dem britischen Sektor richtet die britische Militärverwaltung daraufhin ein Auffang-Lager ein. Am 20. September 1945 eröffnet das Grenzdurchgangslager (GDL) Friedland in der gleichnamigen Gemeinde bei Göttingen. In einfachen Viehställen und Blechbaracken werden die Betroffenen zunächst notdürftig versorgt und registriert. Das GDL Friedland bleibt aber keine provisorische Einrichtung. Im Laufe von 77 Jahren entsteht auf dem Gelände eine kleine Siedlung zur Erstaufnahme von Geflüchteten aus aller Welt.

Kriegsheimkehrer – Friedland als „Tor zur Freiheit“

Seit seiner Entstehung dient das GDL Friedland – wie der Name schon sagt – als erste Aufnahmestelle, nicht zur dauerhaften Unterbringung der Evakuierten, Geflüchteten und Vertriebenen. Mit der Auffangstation in Friedland und neun weiteren Lagern in der Region versuchten die alliierten Behörden ab 1945 die vielfältigen Migrationsströme zu kontrollieren. Ihr Ziel war es, die Ankommenden möglichst gleichmäßig auf und innerhalb der verschiedenen Besatzungszonen unterzubringen. Für die Menschen im Land bedeutete Friedland außerdem eine Anlaufstelle, um nach ihren Angehörigen zu suchen. Viele fragten dort nach dem Verbleib ihrer Söhne, Brüder und Väter, die zuletzt als Soldaten in den Krieg gezogen waren.

Eine besondere Aufmerksamkeit kam dem GDL Friedland in diesem Zusammenhang zwischen 1953 und 1956 zu. Jubelnd erwarteten Zuschauer:innen die letzten Transporte deutscher Kriegsgefangener aus der Sowjetunion, die sogenannte „Heimkehr der Zehntausend“. Dass es sich bei den Befreiten zum Teil um Beteiligte schwerer Kriegsverbrechen handelte, blieb dabei unerwähnt. Stattdessen feierte man die Entlassenen als Opfer des Krieges und das GDL Friedland als „Tor zur Freiheit“.

Das GDL Friedland: eine „Drehscheibe“ Deutschlands

Verglichen mit den deutschen Kriegsheimkehrern fanden die zeitgleich ankommenden Aussiedler:innen aus Polen zunächst wenig Beachtung. Dabei stellten diese ab März 1950 den Großteil der Ankommenden im GDL Friedland dar. Hintergrund ihrer oft unkommentierten Ankunft war das unklare Verhältnis zwischen ihnen und der bundesrepublikanischen Mehrheitsgesellschaft. Zwar handelte es sich bei den Aussiedler:innen um Angehörige deutscher Minderheiten aus Osteuropa, in Deutschland galten sie jedoch vorrangig als Fremde.

Durch internationale Konflikte und einzelne Solidaritätsaktionen kamen zu den osteuropäischen Aussiedler:innen im GDL Friedland bald Geflüchtete aus aller Welt hinzu: Kurze Zeit nach der Niederschlagung des ungarischen Aufstandes 1956 erreichten flüchtende Ungar:innen das niedersächsische Durchgangslager. 1973 zwang wiederum ein erfolgreicher Militärputsch in Chile über 20.000 Menschen zur Flucht, unter anderem in die Bundesrepublik. Wenige Jahre später hielt das Schicksal der flüchtenden „Boat People“ aus Vietnam die westdeutsche Öffentlichkeit in Atem.

So unterschiedlich ihre Fluchtwege verlaufen waren – die erste, gemeinsame (Zwischen-)Station der ankommenden Geflüchteten in Westdeutschland waren die Durchgangslager – darunter das GDL Friedland. Auch in der innerdeutschen Fluchtgeschichte aus der DDR in die BRD, sowie bei der Aufnahme der sogenannten jüdischen Kontingentflüchtlinge der ehemaligen Sowjetunion ab 1991 spielte Friedland eine wichtige Rolle als erste Anlaufstelle. Zudem gilt das GDL Friedland als eines der ältesten Aufnahmelager in Deutschland. Während die meisten übrigen Grenzlager im Laufe der Besatzungszeit geschlossen wurden, besteht das GDL Friedland bis heute. Über vier Millionen Menschen haben es als erste Bleibe in (West-)Deutschland erlebt. Seit 2015 sind vor allem Geflüchtete aus Syrien, Irak und Afghanistan im Durchgangslager Friedland untergebracht.

Leben im Durchgangslager

Aber was kommt eigentlich nach der Ankunft? Im Laufe der Jahrzehnte hat sich die Gestaltung und damit das Leben im GDL Friedland stetig verändert. Die Aufgabe der ersten Registrierung und Notversorgung ist dabei gleich geblieben. Während die behördlichen Abläufe bis 1948 in britischer Hand lagen, waren für die Betreuung der Ankommenden von Anfang an deutsche Wohlfahrtsorganisationen, vor allem das Deutsche Rote Kreuz, zuständig. Auf einen freundlichen Umgang und eine faire Behandlung im GDL Friedland wird dabei viel Wert gelegt.

Dennoch ist das Leben im Lager von Ängsten und Unsicherheit geprägt. Im Gegensatz zu den frühen Jahren des GDL Friedlands sind die Aufenthaltszeiten heute oft länger. Statt zwei Tage verbringen manche Geflüchtete heute mehrere Wochen oder sogar Monate in Friedland. Was darauf folgt, ob, wo und wie sie in Deutschland aufgenommen werden, ist in vielen Fällen unklar. Die erste Unterbringung im GDL Friedland ist wichtig, aber eben erst der Anfang.

Erinnerung und Gegenwart im GDL Friedland

Als vorbildliches Erstaufnahmelager genießt das GDL Friedland bis heute in Deutschland einen guten Ruf. Hier liefen und laufen viele Migrationsbewegungen zusammen. Wie wichtig die Einrichtung für die Migrationspolitik in Deutschland ist, zeigte nicht zuletzt die Errichtung einer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Friedland 2011. Fünf Jahre später, im Frühjahr 2016 eröffnete zudem ein Museum am Rande des heutigen Lagers. In einer Dauerausstellung können Besucher:innen die Geschichte des GDL Friedland kennenlernen. Ergänzt wird das Programm mit verschiedenen Wechselausstellung auf dem Lagergelände. Dort stehen vor allem aktuelle Bezüge zum Thema Migration und Migrationspolitik im Vordergrund.

Über die Ausstellungen präsentiert sich das GDL Friedland als das, was es seit 77 Jahren ist: Ein Ort der (ersten) Begegnung von und mit Menschen unterschiedlicher Herkunft, ein Ort zum Austausch über unterschiedlichen Kulturen und eine Erfahrung: wie es ist eine Bleibe zu suchen und darauf zu hoffen, endlich anzukommen.

Titelbild: Luftaufnahme des GDL Friedland im Februar 1958, Foto: Bundesarchiv, B 145 Bild-F005100-0009A / Steiner, Egon / CC-BY-SA 3.0. 

Über den Autor

Ines S.

Ines studiert Public History an der Freien Universität Berlin.

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