In Ostdeutschland gebe es keine Erfahrung mit Migration, heißt es oft. Doch auch die DDR hatte Zu- und Abwanderung. Allerdings war die Staatsführung bemüht, einen gesellschaftlichen Diskurs darüber zu unterbinden, und verhinderte zum Beispiel den Kontakt zwischen sogenannten Vertragsarbeiter*innen und der übrigen Gesellschaft. Doch schon lange vor der Friedlichen Revolution war die DDR eine Migrationsgesellschaft.

Flüchtlinge und Vertriebene

Millionen Flüchtlinge und Vertriebene aus den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reiches fanden nach dem Zweiten Weltkrieg in der Sowjetischen Besatzungszone, der späteren DDR, eine neue Heimat. 1950, ein Jahr nach Gründung der DDR, waren es 4,1 Millionen Personen.

Nach Westen

Durch Abwanderung und Flucht reisten zwischen der Staatsgründung 1949 und dem Mauerbau 1961 rund drei Millionen Menschen nach Westdeutschland aus. Gleichzeitig zogen rund 500.000 Personen aus Westdeutschland in die DDR. Auch nach 1961 verließen noch über 795.000 Bürger*innen die DDR in Richtung Westen.

Arbeitsmigration

Die Abwanderung hatte einen massiven Arbeitskräftemangel zur Folge. Arbeitsmigration in die DDR sollte Abhilfe schaffen. Die Regierung schloss Abkommen mit anderen sozialistischen Staaten, um Arbeitskräfte in die DDR zu holen. Zunächst waren es die naheliegenden Länder Polen und Ungarn, aus denen Arbeitskräfte kamen. 1966 waren aber erst 3.500 sogenannte Vertragsarbeiter*innen in der DDR tätig. Ab Ende der 1970er Jahre begann man, aus den außereuropäischen sozialistischen „Bruderländern“ Kuba, Mosambik und Vietnam Vertragsarbeiter*innen zu rekrutieren. 1989 waren es rund 94.000, davon 59.000 Vietnames*innen. Der Aufenthalt der Vertragsarbeiter*innen war von vornherein befristet angelegt und folgte einem Rotationsprinzip.

Politisches Asyl

Zudem erhielten in der DDR politische Flüchtlinge – wenn auch wenige – Asyl. So wurden in den 1950er Jahren zum Beispiel griechische Kinder und Jugendliche aufgenommen, deren Eltern als kommunistische Partisanen im griechischen Bürgerkrieg gefallen waren. 1961 lebten noch 980 Erwachsene und 337 griechische Kinder in der DDR. Auch spanische Bürgerkriegsflüchtlinge wurden aufgenommen. Nach dem Putsch gegen den chilenischen Präsidenten Salvador Allende erhielten in den 1970er Jahren rund 2.000 Chileninnen und Chilenen Asyl, unter ihnen viele ehemalige Parteifunktionäre.

Student*innen aus dem Ausland

Seit Anfang der 1950er Jahre studierten Ausländer*innen aus sogenannten sozialistischen „Bruderstaaten“ in der DDR. 1970 waren es 4.700, 1989 etwa 13.000. Die Student*innen konnten Fach und Studienort nicht frei wählen, dafür trug aber die DDR sämtliche Ausbildungskosten.

„Repressiv formierte Migrationsgesellschaft“

Den zentralen Organen der DDR galten Bevölkerungsbewegungen jedoch in vielerlei Hinsicht als Bedrohung, weshalb nicht nur die Bewegung, sondern auch gesellschaftliche Debatten über die DDR als Migrationsgesellschaft eingedämmt werden sollten. Die Folgen von Migration für die soziale Ordnung wurden vom Staat stets reflektiert. Der Migrationsforscher Jochen Oltmer spricht daher von einer „repressiv formierten Migrationsgesellschaft, die zahllose Ambivalenzen und Widersprüche produzierte“.

Der Text ist ein Auszug aus der aktuellen Publikation von GEGEN VEGESSEN - FÜR DEMOKRATIE e.V.: Migrationsgesellschaft und Transformationsgesellschaft in Ostdeutschland. 
Titelfoto: Ein- und Ausreisestempel der DDR in einem Reisepass. Foto: pixabay gemeinfrei 

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