Acht Stufen führen hinauf zum Eingangsportal. Zwischen den einzelnen Stufen in weißer Schrift auf pinkfarbenem Grund die Warnung, mal auf Deutsch, mal auf Englisch: „STOPP! SCHWIERIGES ERBE!? – STOPP! DIFFICULT HERITAGE!?“ Und auch dieser Hinweis fehlt nicht: „Das Eingangsportal mit seinen stereotypen Darstellungen ist Teil der kolonialen Vergangenheit des Linden-Museums.“ – „The entrance portal and its stereotypic depictions ofcolonial subjects is a part of the Linden-Museum’s colonial past.“ Zwei Säulen, die eine links, die andere rechts, darüber ein Halbrund, an den Seiten und oben rundherum verziert mit einem Reliefband voller süd- und mittelamerikanischer Motive. Über den Säulen die Oberkörper zweier Gestalten: links ein Mann aus Neuguinea, rechts ein Mann aus Afrika. Beide entsprechen nahtlos unseren in vielen Jahrzehnten gewachsenen postkolonialen Vorstellungen, allein schon den optischen Vorurteilen gegenüber allen und allem Fremden aus den Kolonien, den englischen, den französischen, den deutschen, ganz gleich. Ein Schwieriges Erbe fest verankert in der Architektur.
Schwieriges Erbe – die aktuelle Ausstellung
Das sei „in Stein gemeißelter Rassismus“ hat der Kunst- und Kolonialhistoriker Joachim Zeller gerade erst im vergangenen Jahr festgestellt. Hier im Museum wird niemand widersprechen, im Gegenteil. „Während des Kolonialismus gegründet und als Teil kolonialer Machtstrukturen war das Linden-Museum lange Zeit daran beteiligt, die Andersmachung des Fremden und eine damit verbundene Hierarchisierung zu untermauern“. Das hat Museumsdirektorin Inés de Castro zu ihrer aktuellen Ausstellung „Schwieriges Erbe“ notiert. Heute sei es das Ziel, „verschiedene Perspektiven und Sichtweisen zuzulassen, gemeinsam mit Vertreter*innen der Herkunftsgesellschaften und der diversen Stadtgesellschaft die Sammlungen neu zu befragen und das Museum nicht mehr als einen Ort unveränderlicher Wahrheitsansprüche zu begreifen.“
Denkmalschutz und schwieriges Erbe
1911 hat der Bildhauer Gustav Adolf Bredow (1875 – 1950) dieses Eingangsportal zum Stuttgarter Linden-Museum entworfen und erbaut. Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg ist es so wieder aufgebaut worden. Nur die ursprüngliche Buddha-Figur oben in der Mitte mit ihren zwei Elefanten und ein Stab, auf den sich der Afrikaner früher gestützt hat, fehlen. Trotzdem: Das Portal steht unter Denkmalschutz. Es darf nicht verändert werden und bleibt so wohl für immer ein schwieriges Erbe. Es ist bei Weitem nicht das einzige in diesem ethnologischen Museum mit seinen mehr als 160.000 Objekten aus aller Welt.
Kritische Aufarbeitung
Die noch bis zum 8. Mai 2022 laufende Werkstattausstellung „Schwieriges Erbe – Linden-Museum und Württemberg im Kolonialismus“ ist ein wichtiger Teil der kritischen und offenen Aufarbeitung der eigenen Geschichte und ein so intensiver wie anspruchsvoller Versuch für die Zukunft: „Wir bestimmen nicht weiter allein darüber, welche Geschichte(n) erzählt werden. Gemeinsam mit Vertreter*innen der Herkunftsgesellschaften, mit Wissenschaftler*innen aus aller Welt und mit interessierten Stuttgarter*innen bearbeiten, erforschen und rekonstruieren wir die Wissenskontexte um unsere Sammlungen und betreiben Provenienzforschung. Wir entwickeln Wege, diese Zusammenarbeit auch in den Ausstellungen und mit Veranstaltungen transparent zu machen.“