Ab dem beginnenden 18. Jahrhundert holten sich zahlreiche weltliche und geistliche Fürst:innen in Europa Schwarze Kammerdiener an ihren Hof. Von ihren weißen Zeitgenoss:innen erhielten sie die Bezeichnung „Hof-“ oder „Kammermohren“. Dabei handelte es sich um meist männliche Bedienstete, die in verschiedenen Ländern Afrikas versklavt und von Sklavenhändler:innen nach Europa verschleppt worden waren. Am Hof verrichteten sie neben den übrigen Aufgaben eines Dieners vor allem eine repräsentative Funktion: Mit ihren Schwarzen Dienern betonten Herrscher:innen den Reichtum und Einfluss ihrer eigenen Stellung.

Für die Schwarzen Kammerdiener bedeutete die Anstellung oft eine finanzielle Absicherung, verbunden mit einem sozialen Aufstieg. Berühmte Beispiele zeigen jedoch, dass dieses Ansehen schnell an Grenzen stieß. Letztendlich mussten sie sich der ständigen Zurschaustellung als „Exoten“ fügen.

Unklarer Status: „Sklaven ohne Sklaverei“

Unabhängig von ihrer persönlichen Anerkennung am Hof des oder der Fürst:in verblieben die Schwarzen Bediensteten in einer Zwangslage: Auch ohne die bis heute geläufige Bezeichnung „Sklave„, entsprach ihr Rechtsstatus genau dieser Position. Schwarze Kammerdiener galten als ‚Besitztümer‘ ihrer Herr:innen. Von diesen konnten sie bestellt, verkauft oder verschenkt werden. Je nach Anstellung und ‚Besitzer:in‘ erhielten sie zwar oft eine geringfügige Vergütung, hatten jedoch kein Kündigungsrecht. Der Historiker Michael Zeuske bezeichnet ihren Status dementsprechend als „Sklaven ohne Sklaverei“ – ein Phänomen, das sich letztlich auf verschiedene Formen der Unfreiheit und persönlichen Abhängigkeit in Europa, damals wie heute, übertragen ließe.

Angelo Soliman und Anton Wilhelm Amo

Aus dem deutschsprachigen Raum im 18. Jahrhundert sind bis heute wenige Schwarze Bedienstete überregional bekannt. Als Schwarze Gelehrte sind vor allem die beiden ehemaligen Kammerdiener Angelo Soliman (ca. 1721-1769) und Anton Wilhelm Amo (ca. 1703 – Todesdatum unbekannt) in die Geschichte eingegangen. Obwohl es sich nicht um idealtypische Lebensläufe handelt, spiegeln sich in ihren Biografien Chancen und Grenzen von Schwarzen Bediensteten ihrer Zeit wider.

Typisch für das Schicksal vieler Schwarzer Kammerdiener ist die lückenhafte Überlieferung ihrer Jugendjahre. Selbstzeugnisse über ihr eigenes Leben sind rar gesät. Gebürtig stammten Soliman und Amo beide von der westafrikanischen Küste. Ihre Geburtsnamen sind nicht bekannt. Üblicherweise vergaben die späteren Besitzer:innen und Herr:innen ihre eigenen oder andere beliebige Namen an die Schwarzen Kammerdiener.

Außer ihren Namen sind auch die Umstände unter welchen Amo und Soliman nach Europa gelangten bis heute nicht hinlänglich geklärt. Sicher ist, dass beide bereits als Kinder an europäischen Fürstenhöfen lebten. Dort wurden sie unterrichtet und konnten sich schrittweise einen Ruf als Angehörige der gebildeten, höfischen Gesellschaft erarbeiten. Über diese Gemeinsamkeiten hinaus finden sich jedoch einige deutliche Unterschiede im Lebenslauf der beiden Männer.

Aufstieg eines Schwarzen Kammerdieners

Von Angelo Soliman ist bekannt, dass er sich zeitlebens in habsburgischen höfischen Kreisen bewegte. 1735 ging der versklavte Junge als Geschenk in den ‚Besitz‘ eines habsburgischen Generals über. Knapp zwanzig Jahre später erhielt Soliman schließlich eine Anstellung als Kammerdiener beim Fürsten von Liechtenstein in Wien.

Durch diese Stellung war ihm fortan ein mittleres Einkommen für Hofbedienstete gesichert. Aufgrund seiner umfangreichen Bildung reichte Solimans Position außerdem schnell über die eines Kammerdieners hinaus. So nahm er in der elitären Wiener Freimaurerloge gehobene Ämter an, spielte Schach mit Kaiser Joseph II. und knüpfte lebenslang neue Kontakte außerhalb seines Arbeitsumfeldes am Hof des Fürsten.

Als dessen Kammerdiener war er jedoch weiterhin – wie alle Bediensteten unabhängig von Herkunft und Hautfarbe – an einschränkende Vorgaben gebunden. Nachdem er trotz eines entsprechenden Verbots des Fürsten geheiratet hatte, wurde Soliman fristlos aus seinem Dienst entlassen. Seine Verbindungen und die Gunst des nachfolgenden Fürsten ermöglichten ihm jedoch wenige Jahre später erneut die Stelle des Kammerdieners aufzunehmen. Als er 1983 schließlich in Pension ging hatte sich Soliman schon ein beachtliches Vermögen erarbeitet und konnte sich auf ein eigenes Anwesen zurückziehen.

Dass Schwarze Kammerdiener als exotisches ‚Schauobjekt‘ missbraucht wurden, zeigen ihre Darstellungen mit orientalischer Kostümierung wie hier bei Angelo Soliman (um ca. 1750). Von Anton Wilhelm Amo ist uns leider kein Bild überliefert. Bild: Gottfried Haid nach Johann Nepomuk Steiner, gemeinfrei.

Der erste Schwarze Dozent Preußens

Einen ähnlich bemerkenswerten Aufstieg wie Angelo Soliman machte der im heutigen Ghana geborene Anton Wilhelm Amo. Auch er wurde bereits im Kindesalter von westindischen Sklavenhändlern dem Herzog Anton-Ulrich von Braunschweig-Wolfsbüttel als Geschenk überreicht. Aufgewachsen am dortigen, preußischen Hof übernahm Amo als junger Mann die Stellung des Kammerdieners. Zeitgleich mit seiner Ausbildung als Bediensteter erhielt er eine umfangreiche humanistische Bildung. Augenscheinlich beabsichtigte sein Herr, der Nachfolger des zwischenzeitig verstorbenen Herzogs, die Lernfähigkeit von Menschen afrikanischer Herkunft zu ‚überprüfen‘. Als menschliches ‚Versuchsobjekt‘ begann Amo schließlich auch ein Studium der Philosophie an der Universität in Halle.

Dort verfasste er unter anderem eine Streitschrift über die Rechtsstellung von Schwarzen in Europa. Mit seiner Dissertation im Jahr 1735 gelang Amo der Aufstieg zum Magister. Fortan lehrte er als erster afrodeutscher Philosoph in Wittenberg, Jena und Halle.

Begrenzte Toleranz

1747 endete Amos außergewöhnlichen Karriere an den preußischen Universitäten abrupt. Mit etwa 50 Jahren emigrierte er in sein Geburtsland an der Westküste Afrikas. Historiker:innen vermuten als Anlass ein Spottgedicht, das wenige Monate vor seiner Abreise von Kollegen der Universität Halle veröffentlicht wurde. Es handelt von einem zuvor abgelehnten Heiratsantrag Amos an eine adlige weiße Frau. In den Gedichtzeilen weist diese Amo mit der Begründung ab, dass „[ihre] Seele doch nie Mohren lieben kan“.

Umstritten ist heute, ob in dem Spottgedicht die Eheabsichten Amos allein aufgrund seiner Hautfarbe verspottet werden. Möglich wäre auch eine Interpretation nach der die gesellschaftliche Stellung als (ehemaliger) „(Kammer-)Mohr“ – hier synonym verwendet für einen „Kammerdiener“ – einer Heirat grundsätzlich im Weg stehen würde. In jedem Fall zeigt die diskriminierende Kampagne gegen Amo, dass ein Schwarzer, ehemaliger Kammerdiener jederzeit in die Rolle des Außenseiters gedrängt werden konnte.

Ein beleidigendes Andenken

Auch gegenüber Angelo Soliman hielt sich der Respekt zumindest einiger Zeitgenossen in Grenzen: Nach Solimans Tod erwarb der damalige Kaiser Franz II. seine sterblichen Überreste und ließ die präparierte Haut im kaiserlichen Naturalienkabinett ausstellen. Dort zeigte eine Puppe mit der Originalhaut des verstorbene, hochgebildete Soliman diesen plötzlich als „edlen Wilden“: Statt seiner höfischen Kleidung trug die Figur eine Federkrone, Muschelschmuck und Lendenschurz, bediente also sämtliche rassistische Stereotypen.

Tragisch an diesem respektlosen Missbrauch des Leichnams ist schließlich auch, dass sie sein Nachleben bis heute bestimmt. Durch sie erscheint die Person Angelo Soliman vorrangig als Opfer rassistischer Zeitgenossen. Die Leistungen des ehemaligen Sklaven und Schwarzen Kammerdieners nehmen in der Berichterstattung oft einen untergeordneten Platz ein.

Späte Würdigungen

Auch das Andenken an Anton Wilhelm Amo ist durch die Schmähkampagne überschattet. Manche Berichte bezeichnen seine vermutlich eigenmächtige Entscheidung zur Ausreise als „Rückkehr“ des Schwarzen Philosophen. Es bleibt wahrscheinlich, dass ihn Ausgrenzung aufgrund seiner Herkunft in Preußen zur Migration veranlasste. Die Deutung derselben als „Rückkehr“ verdeckt jedoch den Umstand, dass Amo zum Großteil in seiner deutschen Umgebung sozialisiert war. Seine wissenschaftliche Karriere und Leistungen gerieten ebenfalls über Jahrhunderte in Vergessenheit. Erst im Zuge der propagierten „Politik der Freundschaft“ zu verschiedenen afrikanischen Ländern beschäftigten sich Wissenschaftler:innen in der DDR erneut mit dem philosophischen Erbe und der Person Anton Wilhelm Amo.

In der postmigrantischen Erinnerungskultur hat sein Andenken schließlich erneut an Bedeutung gewonnen. Aufgrund der frühen Studien über den Rechtsstatus von Schwarzen in Europa gilt Amo heute als ein Vorreiter gegen Rassismus in Deutschland. An seine Leistungen und die eigene Vorbildfunktion möchten vor allem afrodeutsche Aktivist:innen erinnern. Seit 2018 werben sie beispielsweise für die Umbenennung der umstrittenen „Mohrenstraße“ in Berlin-Mitte in „Anton-W.-Amo-Straße“. 2021 beschloss der Berliner Senat diesem Anliegen stattzugeben. Eine Umsetzung steht bis heute jedoch aus.

Das Phänomen „Kammermohr“ als rassistische Idee

Umstritten ist der besagte Straßenname derweil aufgrund der rassistischen Bezeichnung „Mohr“. Unter Zeitgenoss:innen galt der Begriff nicht per se als beleidigend. Jedoch handelt es sich dabei um eine Fremdbezeichnung, die mit vielen rassistischen Stereotypen verbunden war. Auch die sogenannten „Kammermohren“ waren den klischeebeladenen Vorstellungen ihrer Mitmenschen bedingungslos ausgesetzt.

Selbst die Lebenswege außergewöhnlicher, weitgehend emanzipierter Schwarzer Bediensteter wie Angelo Soliman und Anton Wilhelm Amo zeigen, dass sie sich weiterhin diskriminierenden Normen unterwerfen mussten: Eine Heirat brachte aufgrund des bediensteten Standes Konflikte mit sich. Um in der Gunst ihrer Herr:innen und Geldgeber:innen zu bleiben, musste sich Schwarze Bedienstete in der Regel dem vorgefertigten Bild von „Kammermohren“ fügen. Auch mit einer Karriere in aufgeklärten, adligen Kreisen blieben sie die „Exoten“ am Hof.

Vor allem jedoch bleibt zu vermerken, dass die Schwarzen Hofdiener ihr Schicksal nicht freiwillig wählten. Im Kindesalter hatten sie Sklavenhalter nach Europa verschleppt oder noch in Afrika verkauft. Sie erinnern uns daran, dass es sich bei Sklaverei nicht nur um ein Phänomen der Antike oder des transatlantischen Raumes handelt.

Titelbild: In Deutschland ebenfalls bekannt ist die Geschichte des Schwarzen Kammerdieners Ignatius Fortuna (ca. 1730-1789). Die Abbildung zeigt ihn mit der Essener Fürstäbtissinnen Franziska Christine von Pfalz-Sulzbach. Für einen (Schwarzen) Kammerdiener ungewöhnlich, erhielt Fortuna von der Fürstin viele Privilegien und Geschenke. Gemälde von Johann Jakob Schmitz, Köln 1772, gemeinfrei. 

Über den Autor

Ines S.

Ines studiert Public History an der Freien Universität Berlin.

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