Bisher ist wenig bekannt über die Literatur der Roma und Sinti. 2018 erschien ein moderner Poesie-Atlas, unter dem Titel „Die Morgendämmerung der Worte“. Der Gedichtband gibt Einblick in die Vielfalt der Lyrik von Roma und Sinti.

149 Autorinnen und Autoren aus mehr als 30 Ländern

Der Poesie-Atlas erschien in der Buchreihe Die Andere Bibliothek des Aufbau-Verlages. Herausgegeben wurde er von Wilfried Ihrig und Ulrich Janetzki. Der Band versammelt Gedichte von 149 Autorinnen und Autoren aus mehr als 30 Ländern.  Zu ihnen gehören u.a. Marianne Rosenberg, Philomena Franz, Dotschy Reinhardt, Charlie Chaplin, Henry Lawson, Ceija Stojka, Mariella Mehr, und Santino Spinelli. Die Texte wurden aus 21 Sprachen und Dialekten ins Deutsche übertragen.

Verfolgung, Ausgrenzung und Diskriminierung

Bestimmende Themen sind für die Autorinnen und Autoren Verfolgung, Ausgrenzung und Diskriminierung. Damit verbunden ist die Frage nach der Identität und was es bedeutet, als Sinto oder Rom geboren worden zu sein. Auschwitz ist ein zentraler Begriff. Er prägt diesen Poesie-Atlas genauso wie die Erfahrungen von Deportation oder von Emigration.  Auch die Gedichte über Musik oder das Schreiben, oder die wenigen Liebesgedichte durchzieht ein Ton von Trauer und Verlust.

Die Roma-Literatur ist Weltliteratur

Roma-Literatur wird in vielen Ländern der Erde geschrieben. Daher sei die Recherche der Texte schwierig gewesen, so Wilfried Ihrig, einer der Herausgeber des Gedichtbandes. Mit Hilfe des Internets aber habe er viel in Bibliotheken und Antiquariaten im In- und Ausland bestellen können.

Das Zentrum der Roma-Literatur liegt in Osteuropa. Ursprünglich kommen die Roma aus Indien. Sie gingen zuerst nach Osteuropa. Dort haben sie am längsten gelebt nach Indien. Darum gibt es in allen osteuropäischen Ländern auch viel Roma-Literatur. Später seien sie nach Westeuropa gegangen, und dann nach Übersee. Auch dort gebe es Literatur, so Wilfried Ihrig in einem Interview mit dem Deutschlandfunk.

Die meisten Dichterinnen und Dichter des Poesie-Atlas schreiben nicht in Romanes

Geschriebene Texte von Roma-Dichtern gibt es seit etwa 1900. Vorher habe es nur eine mündliche Tradition gegeben. Die meisten im Poesie-Atlas vertretenen Dichter und Dichterinnen schreiben nicht in Romanes, der Sprache der Roma. Sie schreiben in der Sprache der Länder, in denen sie leben. Das liege auch daran, dass in vielen Ländern die Roma noch Analphabeten seien.

„Die Roma-Dichter können gar nicht für ihr eigenes Volk schreiben, sondern schreiben für das Volk, in dem sie leben.“

Wilfried Ihrig im Gespräch mit Andrea Gerk · 06.09.2018 Deutschlandfunk

Moderner Poesie-Atlas der Roma und Sinti

Der Poesie-Atlas zeigt eine weithin unbekannte Literatur, die sich seit einigen Jahrzehnten auch vor dem Hintergrund zunehmender politischer Artikulation der Minderheit entfaltet. Die über 250 Gedichte von über 100 Autorinnen und Autoren überwinden die altbekannten stereotypen Bilder. Vielmehre zweigen sie die Vielfalt der Sinti und Roma in Europa in ihre Individualität.

Die Morgendämmerung der Worte. Moderner Poesie-Atlas der Roma und Sinti. Gedichte aus aller Welt versammelt von Wilfried Ihrig und Ulrich Janetzki. Mit einem Vorwort von Dotschy Reinhardt und einem Nachwort von Klaus-Michael. Erschienen: 08.2018 in Berlin, Seitenanzahl: 396, ISBN: 9783847704034, 42,00 EUR

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SEITEN:BLICK

arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. Der Begriff SEITEN:BLICK steht für die Blicke, die wir links, rechts und hinter "die Dinge" werfen wollen.

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