Mo Asumang ist heute 59 Jahre alt. Die Journalistin, Moderatorin, Autorin, Schauspielerin und Regisseurin ist ein echtes Multitalent. 1996 tritt die gebürtige Kasselerin als erste Schwarze Deutsche Fernsehmoderatorin in der Sendung „Liebe Sünde“ vor die Kamera. Bekannt ist sie seit 2007 auch durch ihr weitreichendes Engagement gegen Rassismus und andere Formen des Hasses. Ihnen widmet sie sich unter anderem in ihren Dokumentarfilmen „Roots Germania“ (2007) und „Die Arier“ (2014).

Seit dieser Woche ist ihre neueste Dokumentationsreihe „Mo trifft Andersdenkende“ vollständig in der Mediathek des Senders 3Sat zu sehen. Dort trifft sich Asumang unter anderem mit Menschen, die queer- und frauenfeindliches, rassistisches, linksextremistisches und fundamentalistisches Gedankengut leben und streuen. Mit ihren Gesprächen zeigt sie dabei vor allem eins: dass Dialog wichtig und möglich ist.

„Roots Germania“ – Hass als Beginn einer Spurensuche

Asumangs Aufklärungsarbeit gegen Rassismus beginnt mit einer Liedzeile: „Die Kugel ist für dich, Mo Asumang“. Diese direkte Morddrohung der neonazistischen Band „White Aryan Rebels“ ist eine von vielen schlimmen Rassismuserfahrungen, die sie im Laufe ihres Lebens macht. In Deutschland muss sich Mo Asumang immer wieder als Schwarze Frau behaupten. In Ghana wiederum, dem Herkunftsland ihres Vaters, wird sie als weiße Deutsche wahrgenommen. Wie möchte und kann sie sich selbst zwischen diesen Welten definieren?

In „Roots Germania“ begibt sich Asumang also auf die Suche nach ihrer eigenen Identität, nach Zugehörigkeit. Dazu reist sie durch Deutschland und Afrika, spricht mit ihren eigenen, leiblichen Eltern, aber auch mit Rassisten. Dabei ist Asumang nicht die unnahbare TV-Moderatorin, sondern Mo – eine Schwarze Deutsche mit ihrer eigenen Geschichte. Und diese Geschichte beinhaltet afrikanische Wurzeln ebenso wie deutsche.

Letzteres schließt wiederum eine Entdeckung ein, durch die das Thema Rassismus für sie noch eine ganz andere, zusätzliche Relevanz gewinnt: Ihre eigene Großmutter, die sie gemeinsam mit ihren Pflegeeltern aufgezogen hat, war einst als Sekretärin bei der SS angestellt – ob aus einer Notlage heraus oder aus voller Überzeugung kann Asumang im Nachhinein nicht feststellen. In ihrer Erinnerung bleibt ihre Großmutter der fürsorgliche Mensch, der sie geprägt hat. Auch über „Roots Germania“ und ihre eigene Biografie hinaus, geht Asumang der Frage nach, was Rassimismus bedeutet und was Menschen zu Rassist:innen macht.

Mythen entlarven

„Was ist eigentlich ein Arier?“, fragt Asumang in ihrem Film „Die Arier“ Passant:innen auf der Straße. Viele zucken die Schultern, andere wiederholen die nationalsozialistische Definition der sogenannten „Arier“ als „deutschblütiges“ Volk: eine vermeintliche „Herrenrasse“ mit germanischen Wurzeln – helle Haut, blond, blau-äugig. Was den meisten nicht bekannt ist: Bei den Arier:innen handelt es sich eigentlich um ein zentralasiatisches Volk im Iran. Dort finden sich erste Nachweise für die Arier:innen bereits ab dem dritten Jahrtausend vor Christus. Jegliche Verbindung zu den German:innen als vermeintliches „Urvolk“ der Deutschen sind in den Quellen nicht nachzuweisen.

Solche Mythen lassen sich also enttarnen. Was aber ändert das an rassistischem Hass und Hetze? Begriffe und Parolen scheinen austauschbar, dort wo Menschen hassen wollen. Von ihrer Bekannten, einer Holocaust-Überlebenden, wird Asumang abgeraten, sich mit Rechtsextremist:innen zu unterhalten. Das nütze nichts. Diese Worte sind uns aus vielen Debatten über unterschiedliche Formen von Extremismus bekannt. Ist es nicht längst Konsens, dass man mit Extremist:innen, Verschwörungstheoretiker:innen und Fundamentalist:innen nicht reden kann? Doch genau das versucht Mo Asumang in ihren Dokumentationen.

Mo Asumang im Dialog

In „Die Arier“ trifft Mo Asumang mehr als eine mutige Entscheidung. Sie unterhält sich mit einem der bekanntesten US-amerikanischen Rassisten, der fest überzeugt ist von der Überlegenheit der „weißen Rasse“. Auch Vertretern des Ku-Klux-Klans stellt sie sich als Schwarze Frau gegenüber – eine gefährliche Aktion, die nicht zum Nachahmen einlädt. In Interviews schildert Asumang später ihre Angst, von den Gesprächspartnern physisch angegriffen und vielleicht getötet zu werden. Diese Angriffe bleiben aus. Dafür hagelt es in ihren Interviews rassistische Beleidigungen. Asumang und ihre Gesprächspartner:innen wissen, wen sie vor sich haben. Mit viel Geduld kommen dennoch Gespräche zustande. Wie schafft sie das?

Zusammenfassen lässt sich ihre Strategie als Zuhören, Empathie zeigen und sich auf Augenhöhe begegnen. So stellt Asumang in allen ihren Dokumentationen den Verfechter:innen unterschiedlicher extremer Ideologien und Verschwörungstheorien einfache Fragen. Manche dieser Fragen scheinen naiv, manche sind provokant. Mit ihnen stellt sie ihre Gesprächspartner:innen zur Rede. Aber ihre Interviews lassen Extremist:innen nicht als Monster erscheinen. Dabei bekennen diese sich zu abstrakten und schockierenden Weltvorstellungen, die sich sonst oft nur von außen als anonyme Hassbotschaften im Netz oder auf Fotos von gewaltbereiten, vermummten Menschenmengen und Aufnahmen von Terrorakten fassen lassen. Daneben kommen Menschen zu Wort, die sich der Grenzwertigkeit und Grenzüberschreitung ihrer Haltung durchaus bewusst sind. Was ist also Extremismus? Wie sieht er aus? Asumangs Dokumentationen verdeutlichen: Auch der unmenschlichste Extremismus hat ein menschliches Gesicht.

Warum „in den Wahnsinn abtauchen“?

Viele der Interviewten berichten Mo Asumang von ihren Ambitionen. Oft scheinen sie getrieben von Angst. Mitgefühl macht ihre oftmals gewaltbereiten Ansichten aber nicht akzeptabler. Und die meisten der Interviews, die am Ende zustande kommen, erwecken tatsächlich nicht den Eindruck, als ob Asumangs Gesprächspartner:innen von ihrer Ideologie abrücken wollten oder könnten.

Warum also mit Extremist:innen, mit Verschwörungstheoretiker:innen und Fundamentalist:innen reden? Werden sie in Asumangs Dokumentationen nur vorgeführt? Oder besteht nicht sogar umgekehrt die Gefahr, dass Asumang Extremist:innen auf diese Weise eine Plattform bietet, Propaganda zu streuen? Wirkt es vielleicht verharmlosend, den Zuschauer:innen vor Augen zu führen, dass hinter Hass und Hetze Menschen stecken wie du und ich?

Mit ihren Fragen bringt Asumang ihre Gesprächspartner:innen überhaupt erst einmal zum Reden. Zunächst möchte sie verstehen, welche Ideologien hinter diesem Hass stecken und warum sich Menschen extremistischen Ideologien zuwenden. Sie lässt sich darauf ein, „in den Wahnsinn abzutauchen“, sagt sie. Dabei bleibt sie nicht immer neutral und erfährt auch Gegenwind. Das nimmt sie in Kauf für ihre Überzeugung, dass sich Konflikte vor allem dann verschärfen, wenn sich Andersdenkende voneinander abgrenzen. Um das zu verhindern ist der Dialog über vermeintlich unüberwindbare Grenzen hinweg wichtig. Und gehört werden möchte doch jede:r, oder?

Ich denke, dass extreme Meinungen auch eine Art Hilferuf sind. Ich möchte sichtbar werden, ich möchte nicht marginalisiert werden, mich gibt’s auch noch. Das könnte man auch als Chance sehen, um sich zu reiben, und gemeinsam gestärkt daraus hervorzugehen. Je mehr wir wegschauen, desto extremer wird meist die Meinung.

Mo Asumang im Interview mit dem FOCUS, 12.09.2022

Reden lernen

Was Mo Asumangs Dokumentationen auszeichnen, sind also keine wissenschaftlichen Fachdiskussionen. Auch zeigen sie keinen ultimativen Lösungsweg auf, wie wir Strukturen aufbrechen und verschiedene Formen des gewaltbereiten Extremismus ein für alle Mal aus der Welt schaffen können. Viele ihrer Gespräche enden in erschöpftem Schweigen, sind geprägt von Ratlosigkeit und gegenseitigem Unverständnis. Sei es mit Ken Jebsen in der Seilbahn, im Wohnzimmer eines erklärten Frauenhassers oder zu Gast bei fundamentalen Christ:innen – Asumangs Dialoge wirken authentisch und das heißt auch: Sie können zäh sein und schwer.

Natürlich bringen Gespräche mit Extremist:innen Risiken mit sich. Natürlich bedeutet Gesprächsbereitschaft auch, die eigene Definition von Extremismus und möglichen Grauzonen immer wieder überdenken zu müssen. Sicher muss sich auch nicht jede:r selbst Hass, Hetze, kleinen und großen Provokationen durch ein gezieltes Aufsuchen extremer Gruppierungen aussetzen. Klare Positionen beziehen – sozusagen „Kante zeigen“ – muss aber nicht bedeuten, alle Gespräche abzubrechen und Andersdenkenden den Rücken zu zukehren. Wie stattdessen Dialoge funktionieren und was sie bringen lässt sich in Mo Asumangs Dokumentationen, Diskussionsbeiträgen und in ihrem Buch „Die Arier. Allein unter Rassisten und Neonazis“ nachvollziehen.

Titelbild und Buchempfehlung:

Mo Asumang: Mo und die Arier. Allein unter Rassisten und Neonazis, erschienen 2016 in S. Fischer Verlage. ISBN: 978-3-596-03443-7 | 272 Seiten | Preis: 14,99€ (Paperback)

Verlinkt in :

, ,

Über den Autor

Ines S.

Ines studiert Public History an der Freien Universität Berlin.

Alle Artikel anzeigen