In ganz Europa spielte im Mittelalter die Besiedlung und Kultivierung menschenarmer Regionen durch Mönchsorden eine wichtige Rolle. So gab es vor allem durch den Zisterzienserorden schon während des Hochmittelalters deutsche Ansiedlungen im Osten. Die Klöster wurden in abgelegenen, menschenleeren Gebieten gegründet, um das Land zu urbanisieren. Sie gelten als Vorreiter der Besiedlung. Aber auch Ärzte, Apotheker, Bauern, Kaufleute und Handwerker wurden von Herrschern oder ansässigen Grundherren angeworben. Die Reise der Auswanderer war lang und unsicher. Exakte Reiserouten, wie man sie heute kennt, waren während des Mittelalters unbekannt. Im Ostseeraum nutzten wohlhabende Kaufleute den Seeweg in Richtung Osten. Die bäuerlichen Siedler kamen über den weitaus beschwerlicheren Landweg. Auf Grund der schlechten Straßen konnte eine Reise mehrere Wochen bis Monate dauern.

Die Deutschen Siedlungen im 17. und 18. Jahrhundert

Während des 17. und 18. Jahrhunderts ließen sich in den verschiedenen Regionen der heutigen Ukraine deutsche Kolonisten aus den unterschiedlichsten Gründen nieder. In den Bergen der Karpaten siedelten sich vor allem Waldarbeiter an, die man heute als Karpatendeutsche bezeichnet. In Ostgalizien trugen die Galiziendeutschen unter anderem zur kulturellen Vielfalt der aufblühenden Städte Lemberg und Ternopil bei. Die Wolhyniendeutschen verschrieben sich dem Getreideanbau und machten das öde, weite Land urban. In der Bukowina lebten deutsche Siedler friedlich zusammen mit zahlreichen anderen Völkern. Sie verhalfen dem Gebiet zu einem wirtschaftlichen Aufschwung. Rund um das Schwarze Meer lebten gleich zwei Gruppen deutscher Herkunft, die Bessarabiendeutschen und die Schwarzmeerdeutschen. In dieser Region wurden besonders viele Kolonien auf den fruchtbaren Schwarzerdeböden gegründet. Hier punkteten die Deutschen Ansiedler durch ihr fortschrittliches Wissen im Bereich des landwirtschaftlichen Anbaus sowie bei der Entwicklung landwirtschaftlicher Technik.

Erster Weltkrieg

Mit Beginn des 1. Weltkriegs am 28. Juli 1914 endete die Zeit deutscher Besiedlung schlagartig. Deutschland und Österreich waren jetzt Kriegsgegner des Zaren. Das Reich des Zar Nikolaus II. geriet sehr schnell an allen Fronten in die Defensive. Zarin Alexandra, eigentlich Alix von Hessen-Darmstadt, war deutscher Herkunft. Im Volk witterte man überall Verschwörungen und das Ansehen der deutschen Minderheit sank rapide.

Oktoberrevolution 1917 und die Folgen von Stalins Politik für die Ukraine

Im Jahr 1917 stürzten Revolution und Bürgerkrieg das Land in Chaos und Gewalt. Oft genug geriet die Bauernschaft zwischen die Fronten der erbittert kämpfenden Roten und Weißen. Beide Seiten praktizierten einen erbarmungslosen Terror mit Massenerschießungen und Plünderungen. Die Folge waren ausgedehnte Hungersnöte.

Erst die NÖP (Neue Ökonomische Politik) brachte zu Beginn der 20er Jahre eine Periode scheinbarer Entspannung. Lenin erhoffte sich von der teilweisen Wiederzulassung privaten Wirtschaftens die ökonomische Erholung des schwer verwüsteten Landes. Doch zum Ende des Jahrzehnts gelang es Stalin, sich in den innerparteilichen Machtkämpfen gegen seine Widersacher durchzusetzen. Von da an war es mit der kurzen Verschnaufpause vorbei. Die brutal durchgesetzte Zwangskollektivierung vernichtete die effektiv arbeitenden Familienbetriebe. Im Zuge der sogenannten Entkulakisierung wurden die erfolgreichsten Bauern ihres gesamten Besitzes beraubt. Mit ihren Familien deportierte man sie in entlegene, oft lebensfeindliche Gebiete. Die Folge war der Zusammenbruch der Lebensmittelversorgung in der gesamten Union. Eine nie gekannte Hungerkatastrophe mit Millionen von Toten traf besonders die Ukraine.

Zweiter Weltkrieg

Der letzte Schlag erfolgte nach Hitlers Überfall im Juni 1941. Was Revolution, Bürgerkrieg, Hunger, Stalins Terror und Kollektivierung an deutscher Bevölkerung übrig gelassen hatte, wurde jetzt nach Kasachstan, Sibirien und in den Altai an der mongolischen Grenze deportiert. Millionen Männer und Frauen kamen zum Arbeitseinsatz in Lager. Sie unterschieden sich kaum von denen des Gulags.

Der Tod Stalins 1953 bedeutete das allmähliche Abebben der Verfolgungen. Doch die vorrevolutionären Zeiten kamen nicht wieder. Es galt sich einzurichten in die bleiernen Jahrzehnte der Stagnation. Besonders nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion verlässt die deutsche Bevölkerung zunehmend das Land. Im Jahr 1992 waren von ehemals 400.000 Ukrainedeutschen nur noch 40.000 übrig.

Nachkommen deutscher Siedler heute in der Ukraine

Und die Zahl sinkt weiter. Zwar gibt es Versuche, deutsches Leben in Kultur- und Kirchenvereinen als „Wiedergeburt“ zu reorganisieren und zu bewahren. Außerdem existieren noch oder wieder deutsche Gemeinden in Kiew, Odessa, Charkiw und auch auf der Krim. Aber die ungewisse Zukunft und die Verlockungen eines sicheren und besseren Lebens führen zu einem verstärkten Abwandern. Vor allem die jungen oft gut ausgebildeten Nachkommen der deutschen Siedler orientieren sich Richtung Westen. Hier geht es zum aktuellen Internetportal der Deutschen der Urkaine.

Dieser Text wurde mit freundlicher Genehmigung übernommen vom Berliner Osteuropa-Experten für Individual- und Gruppenreisen DREIZACKREISEN.

Titelfoto: Bessarabiendeutsche Männer mit typischen Pelzmützen. (Karakulmütze). Foto: Bessarabiendeutscher Verein, Wikipedia gemeinfrei

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