Zu Fasia Jansens Leben kann man verschiedene Geschichten erzählen. Auf der einen Seite die Geschichte einer Schwarzen, afrodeutschen Frau, die im Laufe ihres Lebens unterschiedliche Formen der Diskriminierung erfährt. Nach ihrer Kindheit im armen Hamburger Hafenviertel wird sie auch als Erwachsene nicht reich, ist die meiste Zeit sogar auf Sozialhilfe angewiesen. Aber das ist nicht die einzige Geschichte von Fasia Jansen. Wir kennen sie auch als engagierte Liedermacherin, als feministische, sozialistische Friedensaktivistin, die westdeutsche Friedens- und Protestbewegungen ab den 1960er Jahren entscheidend mitprägte.

In ihren Liedern verarbeitete sie persönliche Erfahrungen, aber selten stellte sie diese in den Fokus. Vor allem engagierte sich Fasia Jansen für Umweltschutz, Frieden und eine gerechte Gesellschaft, in der es keine Armut, keine Ungleichheit zwischen Frauen und Männern mehr gibt. Ihre Themen sind nach wie vor aktuell. Wie aber lesen wir heute Fasias Biografie? Welche Rolle(n) spielt sie in unserer Erinnerungskultur?

Ein Schwarzes Mädchen in weißer Gesellschaft

Geboren wird Fasia Jansen 1929 in Hamburg. Ihre Eltern sind ein hochrangiger liberianischer Botschafter und ein deutsches Zimmermädchen. Kurze Zeit nach ihrer Geburt verlässt Fasias Vater Deutschland und seine Familie. Ihre gesamte Kindheit hinweg bleibt Fasia die einzige Schwarze Deutsche inmitten einer ausschließlich weißen, deutschen Umgebung. Und das bekommt sie immer wieder auf’s Neue zu spüren. Da sie Tänzerin werden möchte, besucht sie in ihrer Kindheit eine Tanzschule. Aufgrund ihrer Hautfarbe wird sie jedoch kurze Zeit nach ihrer Aufnahme wieder entlassen.

Fasias Jugend im Nationalsozialismus

Mit 14 Jahren muss sie das allgemeine Pflichtjahr für Mädchen ihres Alters in der Küche des Konzentrationslagers Neuengamme ableisten. Die offizielle Begründung der Behörden lautet, dass die übliche Beschäftigung als Zimmermädchen bei Privatpersonen in Fasias Fall nicht denkbar sei. Ein Schwarzes Zimmermädchen sei einer deutschen Familie nicht zuzumuten.

Die Erlebnisse im KZ Neuengamme prägen Fasia nach eigener Aussage ihr gesamtes Leben lang. Das Elend der Insassinnen, die Brutalität der Nationalsozialisten und die eigene harte Arbeit setzen ihr schwer zu. Gegen Ende des Krieges bricht sie mit einer Herzerkrankung zusammen, unter der sie ihr Leben lang leiden wird. Ihr Antrag auf Entschädigungszahlungen wegen gesundheitlicher Folgen von Zwangsarbeit wird 1960 von den westdeutschen Behörden jedoch abgelehnt.

Von Hamburg ins Ruhrgebiet

Ihre gesundheitlichen Beschwerden sind es auch, die Fasia als junge Erwachsene dazu veranlassen, aus der feuchten Hamburger Hafengegend ins Ruhrgebiet zu ziehen. Zuvor beginnt sie in einem Hamburger Jugendchor erste politische Lieder zu singen. Bald tritt Fasia auch als Solokünstlerin auf, animiert ihr Publikum aber immer wieder zum Mitsingen. Inspiriert von amerikanischem Blues und gesellschaftskritischen Folksongs schreibt sie bald eigene Lieder, übersetzt und mischt international bekannte Songs der Friedensbewegung wie die Hymne „We shall overcome“.

Durchbruch auf den Ostermärschen

Die Friedensbewegung ist es schließlich auch, mit der Fasia in Deutschland und darüber hinaus bekannt wird. Ab 1960 marschiert und singt sie auf den deutschen Ostermärschen vorne mit. Gemeinsam mit internationalen Stars wie Joan Baez demonstriert sie gegen die atomare Aufrüstung. Die vielen Themen, die Fasia in ihren Liedern anspricht, reichen jedoch weit über die Friedensbewegung hinaus.

Ein Schwerpunkt ihres Engagements liegt auf dem Kampf gegen Arbeitslosigkeit und für eine echte Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen. Gleichzeitig macht sie sich stark für die Belange von Asylbewerber:innen und Geflüchteten. Sie unterstützt ehemalige KZ-Insass:innen bei ihrem Kampf um die öffentliche Anerkennung ihres Leids und vieles mehr.

Keiner schiebt uns weg!

In erster Linie sieht sich Fasia als Sozialistin und Feministin. Anfang der 1980er Jahre unterstützt sie tatkräftig eine Frauenbewegung im Ruhrgebiet, die gegen die steigende Arbeitslosigkeit ankämpft. Hierzu interviewt sie die beteiligten Frauen und lässt ihre Sorgen, Nöte und Forderungen in eigene Lieder einfließen. „Keiner schiebt uns weg!“ lautet ihre und Fasias Parole. Wichtig ist der Bewegung, dass erstmals auch die Perspektive der Frauen auf die wirtschaftliche Krise im Ruhrgebiet sicht- und hörbar wird.

Hier in Westdeutschland liegt nach eigener Aussage auch immer der räumliche Fokus ihres Schaffens. Seit ihren ersten großen Auftritten mit der Friedensbewegung steht Fasia in der öffentlichen Wahrnehmung aber noch für etwas ganz anderes: Durch ihre dunkle Hautfarbe gilt sie als Repräsentantin für die globale Ungerechtigkeit zwischen Nord(westen) und Süden. Auf Konzerten wird sie zum Teil als „farbige Künstlerin“ angekündigt. Ein Treffen mit der umstrittenen afroamerikanischen Aktivistin Angela Davis verstärkt diese Wahrnehmung als universelle Schwarze Repräsentantin. Dagegen helfen auch Fasias eigene (Gegen-)Argumente und ihr Hamburger Dialekt nur wenig.

Eine westdeutsche Sozialistin im Kalten Krieg

Bis zu ihrem Tod im Jahr 1997 ist Fasia in der Bundesrepublik stark umstritten. Den einen dient sie als Vorbild, bei anderen stößt sie mit ihrer politischen Positionierung auf Irritation. Im antikommunistischen Westdeutschland ist sie als bekennende Sozialistin vielen ein Dorn im Auge. Zwar schließt sie sich zeitlebens keiner kommunistischen Vereinigung an. Mit ihren offensichtlichen Sympathien zu einzelnen Ideen erntet Fasia jedoch wiederholt laute Kritik. Auch ihre radikalen Protestmethoden werden öffentlich angeprangert. 1970 erhält sie nach einer unerlaubten Gegendemo bei einer NPD-Versammlung eine Vorladung des Amtsgerichts. Der Vorwurf: Aufruhr und Volksverhetzung.

Ehrungen und Erinnern an Fasia Jansen

Eine öffentliche Anerkennung von Seiten der Politik erhält Fasia schließlich wenige Jahre vor ihrem Tod: 1991 wird sie mit dem Bundesverdienstkreuz am langen Band ausgezeichnet. Eine Stiftung, gegründet von Freund:innen und Bekannten kümmert sich nach Fasias Tod um ihr Andenken. 2004 erscheint erstmals eine Biografie mit Beiträgen von Wegbegleiter:innen. Trotzdem gerät sie zu Beginn des 21. Jahrhunderts weitestgehend in Vergessenheit.

Erst in den vergangenen Jahren findet das Gedenken an Fasia Jansen allmählich einen Platz in der (west-)deutschen Erinnerungskultur. In Hamburg trägt heute eine Bibliothek, in Oberhausen – ihrem langjährigen und letzten Wohnort – eine Gesamtschule ihren Namen. Außerdem wurden dort zu ihrem 25. Todestag Ende 2022 mehrere Gedenkveranstaltungen abgehalten. Aber auch bundesweit vergrößert sich die Wahrnehmung von Fasia Jansen. Im Wissensportal „100 Köpfe der Demokratie“ der Theodor-Heuss-Stiftung findet sich neben zahlreichen engagierten Politiker:innen und Aktivist:innen auch das Porträt der feministischen, Schwarzen Sozialistin wieder.

(Mehr als) eine Schwarze Liedermacherin

Im Zuge postkolonialer Debatten und einer wachsenden Sensibilisierung gegenüber verschiedenen Rassismen ist es vor allem ihre Rolle als afrodeutsche Frau, über die Fasia Jansen heute (wieder) an Bedeutung gewinnt. Zeitungsartikel rücken ihre Identität als Schwarze Deutsche in den Vordergrund. Dabei wäre es zu kurz gegriffen Fasia Jansen „nur“ als Schwarze Aktivistin vorzustellen. Ihre Leistungen lassen sich nicht „nur“ mit Blick auf ihre Hautfarbe würdigen. Auch dürfen wir sie nicht zur Stellvertreterin von Dingen machen, die sie gar nicht berührten. Weder zu Lebzeiten noch heute kann sie Repräsentantin sein von Themen ohne jeden Bezugspunkt zu ihren persönlichen Erfahrungen oder ihren Interessen.

Selbstverständlich ist ihr politischer Aktivismus aber nicht von ihrer Biografie zu trennen. Dass Fasia trotz aller rassistischen Diskriminierungen, die sie seit der frühesten Kindheit erfahren musste, nicht aufhörte sich einzumischen und zu kämpfen, kann Mut machen. Schwarze deutsche Communities entdecken mit ihr heute eine Identifikationsfigur in der jüngeren bundesdeutschen Geschichte. Auch gesamtgesellschaftlich gesehen ist die Geschichte von Fasia Jansen ein wertvoller Beitrag für die Erinnerungskultur: Ihre Biografie durchkreuzt die Vorstellung einer weißen, westdeutschen Friedens- und Protestbewegung.

Titelfoto: Pixabay, gemeinfrei. 

Über den Autor

Ines S.

Ines studiert Public History an der Freien Universität Berlin.

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