Am 25. und 26. März eröffnete die Werkstatt Exilmuseum – Werkstatt Exilmuseum? Was man sich darunter vorstellt, das war mir zunächst unklar. Denn schnell stellt sich heraus: Das Exilmuseum existiert noch gar nicht – es wird noch gebaut. Ein eindrucksvolles „bogenförmig geschwungenes“ zukünftiges Gebäude am Anhalter Bahnhof, entworfen von der dänischen Architektin Dorte Mandrup, welches 2026 fertiggestellt werden soll.

Die Idee der Werkstatt Exilmuseum ist ein Raum der Mitgestaltung, ein Raum des Miterlebens. Die metaphorische Werkstatt soll Besucher:innen motivieren, aktiv an der Idee des Exilmuseums mitzuarbeiten und erste Eindrücke zu bekommen. Und auch um zu verstehen:

Was können wir uns unter einem Exilmuseum vorstellen?

Das Eröffnungsprogramm ist hier: https://stiftung-exilmuseum.berlin/de/aktuell/eroeffnungs-werkstatt-exilmuseum nachzulesen.

Exil – Flucht – Einzelschicksale

Das Kernthema des Museums sind die Einzelschicksale von Menschen, die im Exil lebten oder leben. Denn: Es geht sowohl um aktuelle Fluchterfahrungen als auch um historische. Es geht einerseits um die Flucht aus Deutschland, die Flucht aus dem Nationalsozialismus in der Zeit 1933–1945. In diesen Jahren flüchteten ungefähr eine halbe Million Deutsche ins Ausland.

Und andererseits wird die Brücke vom Vergangenen in die Gegenwart geschlagen, es geht um die Flucht nach Deutschland (u.a.), um Menschen, die sich in eben diesem Moment ein Leben nach der Flucht aufbauen. Es geht um individuelle Erfahrungen und den persönlichen Bezug dazu.

Um diesen Geschichten ein „Gesicht“ zu geben, wird mit spezifischen Objekten gearbeitet. Diese Objekte sollen die Beobachter:innen überraschen: Was hat die Anti-Babypille mit Flucht zu tun? Und es ist in der Tat überraschend, dass die Familie Djerassi von Österreich in die USA flüchtet, wo Carl Djerassi ein Chemiestudium beginnt und dort zur „Mutter der Pille“ wird. Ein maßgeblicher Schritt zur Selbstbestimmung der Frau.

Auch ein Taxi-Schild lässt sich nicht in erster Linie dem Exil zuordnen und doch steht es symbolisch für Anuta Sakhelm, eine Frau und Mutter, die 1933 in das damalige Palästina flüchtet, um dort die erste Taxifahrerin zu werden.

Und… woher wissen wir das?

Das zukünftige Exilmuseum ist im Kern eine Zusammentragung, ein „Schaufenster“, von verschiedenen gesammelten Informationen zum Thema Exil. Mit unterschiedlichsten Akteur:innen arbeiten sie zusammen und bieten so eine Plattform für ausgiebige Recherchen. Darunter das Deutsche Exilarchiv, welches sich schon seit 1949 mit dem Thema Exil auseinandersetzt, beispielsweise durch die frühzeitige Digitalisierung von Archiven der Hilfsorganisation American Guild for German Cultural Freedom:

„Sie war im Rahmen der Deutschen Akademie im Exil auf Initiative von Prinz zu Löwenstein 1935 in den USA gegründet worden. Löwenstein, ebenfalls Emigrant, hatte bereits in London alle organisatorischen Vorkehrungen dafür getroffen, dass die zahllosen Künstler und Wissenschaftler, die Deutschland ab 1933 verlassen mussten, im Exil ihre Arbeit fortsetzen konnten.“[1]

Warten, Wartezeit, Wartesaal

Aller Klatsch dient dazu, die Wartezeit zu verkürzen, denn die Menschen sind wie verzehrt vom Warten“

Anna Seghers (im Exil ab 1933)

Am 25. März bot die Eröffnung der Werkstatt verschiedene „Gesprächsführungen mit partizipativen Elementen im Labor“ und eine kleine Führung mit einer Vorstellung der Räumlichkeiten.

Eine anschließende Performance Stories from Exile #1, mit dem Theatermacher Pavlo Arie und dem Schauspieler Oliver Kraushaar spiegelt genau das wider, was die geplante Ausstellung ausdrücken möchte: Pavlo Arie liest mal mit Humor, mal mit Trauer, seine eigenen Texte von seiner Fluchterfahrung vor; seine Flucht, sein Leben, seine Worte. Dem gegenüber stellt Oliver Kraushaar Ausschnitte aus Lion Feuchtwangers Roman „Exil“ über den bayrische Komponist Josef „Sepp“ Trautwein, der in den 1930er Jahren ins Exil ging – nach Paris. Arie und Kraushaar lesen sich und dem Publikum abwechselnd überraschend wesensverwandte Gefühle vor, wie sie ihre Städte Kiew und München vermissen; wie sie ihre Mütter loben und ihr Lieblingsessen herbeisehnen. Wie sich das Leben verändert hat, wie es sich anfühlt, als würde man immer auf etwas warten. Arie beschreibt in einer ergreifenden emotionalen Tiefe, wie man „immer auf die schlechte Nachricht wartet“. Warten, Wartezeit, abwarten. Die Wartesaalsinfonie, – eine Metapher für die Zeit des Exils und Kern des Romans von Feuchtwanger.

Was bedeutet Exil eigentlich?

Bei der Führung durch die entstehende Ausstellung erläutert eine Mitarbeiterin außerdem, dass der Begriff Exil in vielerlei Hinsicht ein grauer Begriff ist, einer, der nicht immer in die Definition passt. Ist Exil etwas Temporäres? Ist Exil permanent? Wie unterscheiden wir Exil und Migration? Was ist vorübergehend, was ist für immer? Was verbindet das Exil damals und heute? Und wie können wir aus der Geschichte für die Gegenwart lernen?

All diesen Fragen widmet sich das zukünftige Exilmuseum am Anhalter Bahnhof. Und bis dahin können sich engagierte Interessierte am Interimsstandort an der Fasanenstraße diesen Themen widmen.

Hier gibt es mehr Informationen zur Stiftung Exil-Museum Berlin und Werkstatt Exilmuseum.

Titelbild: Ausstellungsdetail Werkstatt Exilmuseum, Foto: Alina Schulenkorf

[1] https://kuenste-im-exil.de/KIE/Content/DE/Themen/american-guild.html

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Über den Autor

Alina Schulenkorf

studiert Kulturwissenschaften an der Viadrina in Frankfurt (Oder).

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