Die Geschichte der Familie Diek, die inzwischen in fünfter Generation in Deutschland lebt, geht auf die Zeit des Deutschen Kaiserreichs zurück. Sie begann mit Mandenga Diek, der 1891 aus der damaligen deutschen Kolonie Kamerun nach Hamburg kam. Er stammte aus einer wohlhabenden Adelsfamilie aus Douala und war mit dem Ziel, eine Ausbildung zu machen, in das Deutsche Reich gekommen. In Hamburg begann er eine Schusterlehre, die er allerdings schnell wieder beendete, da sein Ausbilder ihn in ein Schaufenster setzte, in dem er sein Handwerk präsentieren sollte. Diese Art der Zurschaustellung ließ sich Mandenga Diek nicht gefallen und machte sich als Händler für „Kolonialwaren“ selbstständig. Er eröffnete ein Geschäft für Tabak und andere Waren aus den damaligen deutschen Kolonien. Durch seine Handelstätigkeit war er viel auf Reisen, auf denen er die Ostpreußin Emilie Diek kennenlernte. Die beiden heirateten in Danzig und bekamen die Töchter Erika und Dorothea. 

Der erste Schwarze, der die deutsche Staatsangehörigkeit erhielt 

Mandenga Diek, der sich selbst als gutbürgerlich und kaisertreu ansah, wurde in Danzig sehr geschätzt. Er engagierte sich in der Freiwilligen Feuerwehr und in anderen Vereinen. 1895 beantragte er seine Einbürgerung und erhielt ein Jahr später als erster Schwarzer die deutsche Staatsangehörigkeit, die damals noch „deutsche Reichsangehörigkeit“ hieß.

Engagement für die Schwarze Gemeinschaft

Als Mitbegründer des ersten afrodeutschen Vereins 1918, dem sogenannten „Afrikanischen Hilfsverein“, trug Mandenga Diek maßgeblich zur Selbstorganisation Schwarzer Menschen bei. In diesem Zuge entstand auch die von Martin Dibobe 1919 verfasste Petition zur Gleichberechtigung Schwarzer Menschen aus den deutschen Kolonien. Sie umfasste „32 Forderungen der Afrikaner in Deutschland“ und wurde unter anderem von Mandenga Diek unterzeichnet. In der Berliner Wilhelmstraße 52 wurde 2019 eine Gedenktafel zur Erinnerung an die sogenannte Dibobe-Petition enthüllt, die sich an dem Standort des damaligen „Reichskolonialsamts“ befindet. 

Diskriminierung in der Weimarer Republik

Im Namen des „Afrikanischen Hilfsvereins“ schrieb 1921 Ludwig M’bebe Mpessa einen offenen Brief an die Zeitung „B.Z. am Mittag“. Darin protestierte er gegen die rassistische Diskriminierung im Zuge der sogenannten Schwarzen Schmach. Er kam ebenfalls aus Kamerun und wurde 1915 als Komparse für den Film entdeckt. Unter seinem Künstlernamen Louis Brody machte er in der Weimarer Republik eine erfolgreiche Schauspielkarriere. Damit blieb er allerdings eine Ausnahme, denn die meisten Schwarzen Schauspieler durften lediglich in Nebenrollen auftreten, die rassistische Stereotype verkörperten. Ludwig M’bebe Mpessa nutzte seine Popularität, indem er sich für die Gleichberechtigung Schwarzer Menschen in der Weimarer Republik einsetzte. 

Entrechtung zur Zeit des Nationalsozialismus 

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten endete der öffentliche afrodeutsche Aktivismus, da sich die Lebensverhältnisse Schwarzer Menschen im Deutschen Reich deutlich verschlechterten. Ihnen wurden ihre Ausweisdokumente entzogen und durch sogenannte Fremdenpässe ersetzt. Auch die Familie Diek verlor ihre Staatsangehörigkeit und ihr Geschäft für Kolonialwaren. Mandenga Diek, der dadurch seine Handelstätigkeit nicht weiter ausüben konnte, stellte einen Ausreiseantrag, um nach Kamerun zurückzukehren. Dieser wäre ihm allerdings nur unter der Bedingung gestattet worden, dort Propaganda für das Deutsche Reich zu verbreiten. Aufgrund der Diskriminierung, die er und seine Familie durch das NS-Regime erfuhren, konnte er dem unmöglich zustimmen. Er erlitt 1943 einen Schlaganfall, an dessen Folgen er noch im gleichen Jahr verstarb.

Erinnerung an Schwarze Opfer des Nationalsozialismus

Für Ludwig M’bebe Mpessa und andere Schwarze Schauspieler blieb die Mitwirkung in NS-Propagandafilmen oft die einzige Möglichkeit, sich einen Lebensunterhalt zu finanzieren. 1938 heiratete er Erika Emilie Diek, die Tochter von Mandenga Diek, und zog mit ihr nach Berlin Prenzlauer Berg in die Gaudystraße. Dort wurden am 8. März 2023 zwei Stolpersteine verlegt, die an ihre Entrechtung und Ausgrenzung zur Zeit des Nationalsozialismus erinnern. Es sind zwei von lediglich fünf Stolpersteinen, die bisher für Schwarze Opfer des Nationalsozialismus in Deutschland verlegt wurden.

Einsatz für die Rechte Schwarzer Deutscher in fünfter Generation

Die Nachkommen von Mandenga Diek engagieren sich noch heute für die Rechte der Schwarzen Gemeinschaft in Deutschland, die weiterhin von Rassismus betroffen ist. Seine Urenkelin Abenaa Adomako hat die „Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland“ (ISD-Bund e.V.) mitgegründet. Diese vertritt die Interessen Schwarzer Deutscher und steht für Gerechtigkeit in der Migrationsgesellschaft ein. Ihr Bruder Roy Adomako ist Gründungsmitglied des Vereins „Each One Teach One“ (EOTO e.V.), ein Bildungs- und Empowerment-Projekt, das zur Prävention von Rassismus und zum Empowerment Schwarzer Menschen beiträgt. Sein Sohn Leonard Konrad-Adomako hat das Startup „AiDiA – Afrodeutscher Startup Pitch“ mitgegründet, das sich für mehr Diversität im deutschen Unternehmertum einsetzt. Damit lebt die Familie Diek inzwischen in fünfter Generation in Deutschland und engagiert sich nach wie vor für die Rechte Schwarzer Deutscher und gegen Rassismus.

Titelbild: Katalog zur Ausstellung "Auf den Spuren der Familie Diek - Geschichten Schwarzer Menschen in Tempelhof-Schöneberg", die 2023 im Schöneberg Museum zu sehen war. 

Über den Autor

Annalena Piper

studiert Interdisziplinäre Antisemitismusforschung am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin.

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