Das M-Wort wird in diesem Beitrag mit einem Sternchen versehen, um die Reproduktion des rassistischen Begriffs zu vermeiden.

Rassistische und koloniale Überreste im deutschen Stadtbild

Im Zuge der BLM-Bewegung entzündete sich in Deutschland und international eine große Debatte um rassistische und koloniale Spuren im Alltag. An vielen Orten wird die Beseitigung solcher diskriminierenden Symbole aus dem Stadtbild gefordert. Bekannte Beispiele sind unter anderem der Bahnhof M*straße in Berlin oder die in Deutschland verbreiteten M*-Apotheken.

Auch in Coburg wurden 2020 Stimmen laut. Sie forderten die Änderung des Coburger Stadtwappens, denn auf diesem ist seit Jahrhunderten der „Coburger M*“ abgebildet.

Der Heilige Mauritius auf dem Coburger Stadtwappen

Der M* ist ein in der Heraldik, der Lehre der Wappendarstellungen, weit verbreitetes Wappenbild. In den meisten Fällen stellt die Figur den heiligen Mauritius dar. Hierbei handelt es sich um den Schutzheiligen des Heeres und der Waffenschmiede. Der Legende nach soll der heilige Mauritius im Oberägypten des dritten Jahrhunderts gelebt haben. Er war General der Thebäischen Legion, welche als Märtyrer für das Christentum starben. Daraufhin wurde die Legion, aber vor allem Mauritius Objekt der christlichen Heiligenverehrung. Über die folgenden Jahrhunderte wurde er sowohl mit einer hellen wie auch dunklen Hautfarbe dargestellt, denn in den frühen Geschichten über ihn wird weder sein Aussehen noch seine Herkunft beschrieben.

Die Verehrung des heiligen Mauritius in Coburg kann bis ins frühe 14. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Das Heiligenbild wurde mit der Zeit zu einem bürgerlich-städtischen Symbol und um 1500 dann zum Wappen- und Siegelbild der Stadt. Während des Nationalsozialismus wurde das Wappen kurzzeitig ersetzt, doch bereits kurz nach dem Krieg wurde es wieder eingeführt. 1974 entschied der Stadtrat von Coburg, das Wappen, in seiner mittelalterlichen Darstellung von Mauritius als Schwarzen beizubehalten, ungeachtet der möglichen Herkunft und des Aussehens dessen.

Zwiespalt um ein Stadtsymbol

Die Meinungen zum Stadtwappen in der Öffentlichkeit sind divers. Viele werden das Wappenbild und dessen Bezeichnung wohl noch nie kritisch hinterfragt haben. Doch weitaus polarisierender sind die Meinungen zweier gegensätzlicher Petitionsverfasser*innen und deren Unterstützer*innen. Die einen sind für, die anderen gegen die Veränderung des Wappens.

Diskriminierung

Im Juni 2020 wurde die erste Petition gestartet. Gerichtet an den Oberbürgermeister, appellierte sie für die Änderung des Coburger Stadtwappens.

Petition für die Veränderung des Wappenbildes

Die Verfasserinnen der Petition sind der Meinung, dass das Coburger Wappen eine rassistische, kolonialistische Stereotype eines schwarzen Menschen darstellt. Vor allem die Bezeichnung als „Coburger M*“ sei eindeutig rassistisch. Der Begriff ist etymologisch unter anderem auf das griechische „moros“ zurückzuführen, was als töricht oder dumm übersetzt werden kann. Ihrer Überzeugung nach kann man nicht von einer Würdigung oder Wertschätzung sprechen, wenn ein rassistisches Bild und eine rassistische Bezeichnung verwendet wird.

Mit dieser Ansicht sind sie keinesfalls allein. Auch die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Susan Arndt, welche unter anderem zum Thema Rassismus forscht, sieht das Stadtwappen kritisch. Ihrer Meinung nach könne man die Bezeichnung nicht in einem neutralen Kontext sehen.

„Der Begriff wurde von Anfang an abwertend gebraucht und zwar aus einer weißen christlichen Perspektive und diskriminierenden Intention heraus.“

Susan Arndt

Die Autorin und Antirassismus-Trainerin Betiel Berhe kritisiert auch die Diskussion um das Wappenbild, vor allem, dass die Gegner der Abschaffung sich nicht intensiv genug mit Rassismus und dessen Gewaltdimensionen auseinandersetzen würden.

„Einfach nur zu sagen, wir haben kein Problem: Das ist keine Art, sich mit Rassismus auseinanderzusetzen.“

Betiel Berhe

Es geht für die Gegner des Wappenbildes also nicht unbedingt um die Verbannung des Heiligen Mauritius, sondern um eine Problematisierung der Darstellung im Kontext des Rassismus der Vergangenheit und Gegenwart.

Wertschätzung

Als Reaktion auf diese Meinungslage entstand eine weitere Petition, welche Unterstützung gegen die Abschaffung des heiligen Mauritius auf dem Coburger Stadtwappen sammelte.

Petition gegen die Veränderung des Wappenbildes

In der Gegenpetition erklärt der/die Initiator*in, dass es sich beim „Coburger M*“ ja nicht um eine fiktive, kolonialistische Darstellung handelt, sondern um den Schutzpatron St. Mauritius. Seine aus dem 13./14. Jahrhundert stammende Darstellung auf dem Coburger Stadtwappen sei also wesentlich älter als der Kolonialismus der frühen Neuzeit. Für die Person und die Unterstützer*innen der Petition ist der „Coburger M*“ ein kulturell und historisch bedeutsamer Teil der Stadt und seiner Bürger*innen. Auch die Bezeichnung des Wappenbilds sieht die Person als unproblematisch und führt das Wort stattdessen auf das altgriechische „mauros“, für braun/schwarz oder die Bewohner Mauretaniens zurück.

Der Kulturwissenschaftler Hubertus Habel, welcher sich im Zuge seiner Promotion mit stätischen Symbolen und Geschichtskultur in Coburg beschäftigte, beschreibt die Darstellung des „Coburger M*“ als:

„vollkommen in Ordnung, weil es eben eine Wertschätzung und Hochachtung vor diesem Heiligen ausdrückt“.

Hubertus Habel

Auch der Oberbürgermeister von Coburg, Dominik Sauerteig spricht sich gegen die Wappenänderung aus. Er argumentiert ebenfalls, dass die Abbildung nicht rassistisch und kolonialistisch sein kann, da diese bereits vor dem deutschen Kolonialismus existierte. Die Tatsache, dass die Stadt ihr Wappen nach der Zeit des Nationalsozialismus wieder eingeführt habe, mache es für ihn sogar zum „Symbol gegen Intoleranz und Rassismus“.

(Bis heute, mehr als drei Jahre nach dem Start der beiden Petitionen, hat sich in Richtung Veränderung noch nichts getan.)

Meinungspluralität und Meinungswandel

Das sich in einer Gesellschaft die Meinungen spalten und wandeln ist unvermeidbar. Das ist sogar sehr wichtig, denn Meinungspluralität fördert kritische Diskurse und erweitert den eigenen Horizont.

Auch etablierte historische Symbole und Begriffe rufen diverse Meinungen hervor, denn sie haben für unterschiedliche Personengruppen unterschiedliche Konnotationen.

„Was nicht rassistisch gemeint ist, kann trotzdem rassistisch rüberkommen.“

Tahir Della, der Sprecher der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland

Nur weil etwas historisch und kulturell bedeutsam ist, bedeutet das nicht, dass es unabhängig vom gesamtgesellschaftlichen Wandel ist und nicht hinterfragt werden darf. Worauf es ankommt, ist ein offener Dialog. Denn die Frage sollte nicht seine welche Seite recht hat, sondern wie man gemeinsam und konstruktiv an einem Lösungsentwurf arbeitet, der die Perspektiven aller Teile der Gesellschaft berücksichtigt.

Quellen:
https://www.dw.com/de/rassismus-in-deutschland-streit-um-stadtwappen-von-coburg/a-54252491
https://taz.de/Petition-der-Woche/!5718463/
https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/stadtwappen-coburg-streit-um-coburger-mohr
https://www.zeit.de/zett/politik/2020-06/coburger-mohr-zwei-frauen-fordern-in-einer-petition-die-aenderung-eines-rassistischen-stadtwappens
https://www.coburg.de/coburg-erleben/stadt-und-stadtgeschichte/beruehmte-coburger/inhaltsseiten/heiliger-mauritius.php#:~:text=Nach%20dem%20Ende%20des%20Zweiten,Stadtwappen%20als%20Afrikaner%20zu%20symbolisieren
https://de.wikipedia.org/wiki/Mauritius_(Heiliger)
https://de.wikipedia.org/wiki/Mohr_(Heraldik)

Titelbild: Coburger Veste. Foto: Störfix auf Wikipedia (gemeinfrei)