Die Ausstellung WER WIR SIND in der Bundeskunsthalle in Bonn, stellt kritische Fragen an Deutschland als Einwanderungsland.

Wie entsteht das „Wir“ in einer Gesellschaft? Gelingt dies nur über die Abgrenzung zu „den Anderen“? Ist es möglich in unserer Gesellschaft zu einem gemeinsamen und umfassenden „Wir“ zu gelangen?

Plakat zur Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn, 26. Mai bis 8. Oktober 2023

Die Idee der Ausstellung

Rund 30.000 Dokumente und Zeugnisse umfasst das Kölner Dokumentationszentrum über die Migration in Deutschland (DoMiD). Ab 2027 wird es als Museum auch Besucher:innen empfangen. Für WER WIR SIND kooperiert die Bundeskunsthalle Bonn mit DoMiD. In einer großen Ausstellung stellen sie Deutschland ausdrücklich als Einwanderungsland vor. Für die Schau wurden Bilder, Skulpturen, Fotografien, Videos und Interviews aus den vergangen Jahrzehnten zusammengetragen. Die Ausstellung kombiniert zeitgenössische Werke von rund 50 Künstler:innen mit den Archivalien des Dokumentationszentrums.

Über allem steht die Frage nach einer gemeinsamen Erinnerung und Geschichte in Deutschland.

Hauptfunktion der Ausstellung ist, Geschichte anders zu erzählen, nämlich aus mehrperspektivischer Richtung und nicht nur aus einer, nämlich der mehrheitsgesellschaftlichen Perspektive und unsere Perspektive dahingehend zu öffnen, wie unserer Gesellschaft sich verändert. Der Transformationsbegriff, den wir bemühen, betrifft nicht nur Gesellschaft und unsere gelebte Alltagsrealität, sondern auch Aspekte wie Erinnerungskultur.

Ausstellungskuratorin Johanna Adam am 27. Mai 2023 in einem Interview im Deutschlandfunk

Berührende Geschichten

Als Alicja Kwade 1987 aus Polen nach Deutschland kam, veränderten die Behörden bei der Einbürgerung ihren Vornamen eigenmächtig in Alice. Erst 2022 gelang es der Bildhauerin, ihren richtigen Geburtsnamen im deutschen Pass eintragen zu lassen. In der Bonner Ausstellungen zeugen die Urkunden zeugen davon

Aus Protest gegen Sexismus und Rassismus in Deutschland hatte sich die türkische Dichterin Semra Ertan 1982 in Hamburg auf offener Straße selbst verbrannt. Die Künstlerin Cana Bilir-Meier erinnert in einem Video an die Gedichte und das Leben von Semra Ertan.

Ein Foto zeigt vietnamesische Vertragsarbeiter:innen, die in die DDR kamen, wie sie nach dem Mauerfall auf dem Flughafen Schönfeld nach Hanoi zurückgeschickt wurden.

Die Ausstellung WER WIR SIND, hat viele solcher Geschichten zu bieten.

Foto: Simon Vogel, 2023 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
Blick in die Ausstellung. Foto: Simon Vogel, 2023 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

Das Potential von Kunst als widerständige Kraft und wichtiger Motor unserer Gesellschaft

Die Künstler:innen stellen mitunter unbequeme Fragen und öffnen neue Perspektiven auf (vermeintlich) bekannte Themen rund um unsere Migrationsgesellschaft. Die Ausstellung macht es sich auch zur Aufgabe, gemeinsam mit Künstler:innen kritisch über Macht und das Selbstverständnis von Museen und Kulturschaffenden zu reflektieren. Einige Künstler:innen haben eigens für die Bonner Ausstellung neue Arbeiten konzipiert, die erstmals zu sehen sind.

WER WIR SIND wirft einen Blick auf die Strukturen unserer Gesellschaft: Wer darf mitreden und -bestimmen? Wie schaffen wir Zugang zu Räumen und Ressourcen – zu Bildung, Wohnraum und Kultur? Wer spricht in Politik und Medien? Die Kurator:innen schauen auf Errungenschaften wie auch auf Hürden im Ringen um ein gleichberechtigtes Miteinander.

Wie anders sieht die Welt aus, wenn Europa einmal nicht im Zentrum steht. William Kentridge: North Pole Map, 2003
© Courtesy Fondazione MAXXI, Foto Patrizia Tocci.

Angebote für Schüler:innen und pädagogische Fachkräfte

Begleitend zur Ausstellung hat die Bundeskunsthalle Angebote für Schulklassen ab Jahrgangsstufe 7.

  • In der Führung, Lesung, Gespräch Ich wollte leben wie die Götter (1. September) mit der Kunstvermittlerin Inès von Patow im Dialog mit dem Autor Ibraimo Alberto werden rassistische Gewalt, alltägliche Diskriminierung, strukturelle Ausgrenzung, antirassistisches Engagement und Integrationsarbeit aus der Betroffenenperspektive nachvollziehbar. 
  • Die zweistündige Zukunftswerkstatt Future City – Stadtmodell gestalten, ist inspiriert von der Arbeit Future City des Künstlers Mohammed Kteish. Gemeinsam gestalten die Teilnehmenden das Modell einer Zukunftsstadt, in der Frieden, Vielfalt und Nachhaltigkeit gelebt werden.
  • Im Forum-Theater-Workshop Zusammen in Vielfalt wird mit den Mitteln des Forum-Theaters der Frage nachgegangen, wie Diskriminierung, Ausgrenzung und Unterdrückung entstehen und wirken und wie sie sich überwinden lassen. 
  • In der zweistündigen FORTBILDUNG FÜR LEHRKRÄFTE bekommen pädagogische Fachkräfte kompakte Informationen zu Highlights der Ausstellung, Anknüpfungspunkten an den Lehrplan und zu den speziell für Schulen konzipierten Angeboten. Unter anderem beinhaltet die Fortbildung einen Ausstellungsrundgang mit einer kunsthistorischen Einführung.

WER WIR SIND. Fragen an ein Einwanderungsland. 26. MAI BIS 8. OKTOBER 2023

Die Ausstellung kann noch bis zum 8. Oktober in der Bundeskunsthalle Bonn besucht werden. Weitere Informationen unter: www.bundeskunsthalle.de/wer-wir-sind.html

Die Ausstellung wird begleitet von einem 80seitigen Ausstellungkatalog in deutscher Sprache, der hier bestellt werden kann: www.bundeskunsthalle.de/wer-wir-sind/publikation.html

Titelfoto: Lerato Shadi  
Batho ba ha ba Tlhalonganye
2020–2023
© Courtesy die Künstlerin und blank projects, Kapstadt, Foto: dewil.ch (CC BY-NC-ND)

Über den Autor

SEITEN:BLICK

arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. Der Begriff SEITEN:BLICK steht für die Blicke, die wir links, rechts und hinter "die Dinge" werfen wollen.

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