Was bedeutet das Wort „Terror“ eigentlich? Und was ist beispielsweise der Unterschied zum Begriff „Terrorismus“? Obwohl diese beiden Worte seit ein paar Jahren geradezu allgegenwärtig geworden sind, werden solche Fragen – zumindest für meinen Geschmack – erstaunlich selten gestellt. Warum ist das so?

Können Sie spontan „Terror“ definieren? Nehmen Sie sich Zeit

Nicht ganz einfach, oder? Versuchen wir es anders: In welchen Zusammenhängen begegnet Ihnen das Wort im Alltag? Da wären zum Beispiel die Tagesschau oder das Heute-Journal, die uns fast allabendlich von „Terroranschlägen“ im Irak, in Syrien, in Afghanistan oder anderswo berichten. Der Innenminister spricht von der zunehmenden „Terrorgefahr“ in Deutschland und im Verfassungsschutzbericht ist von „ausländischen Terrororganisationen“ die Rede. Schlägt man ein Buch zur Geschichte des 20. Jahrhunderts auf, ist vom „Stalinistischen Terrorregime“ oder dem „Naziterror“ zu lesen. Ihnen fallen bestimmt noch mehr Beispiele ein, oder?

Doch was heißt dieses Wort nun konkret?

Ein kurzer Blick ins Lexikon oder ins Internet verraten, dass sich unser moderner Begriff „Terror“ von seinem gleich klingenden lateinischen Vorfahren mit der Bedeutung von „in Schrecken versetzen“ ableitet. Über das Französische – man denke an Robespierres „Terrorherrschaft“ – hat es der Begriff dann ins Deutsche, Englische und viele andere Sprachen geschafft. Das Wort „Terror“ kennt man, der Globalisierung sei Dank, auf der ganzen Welt. Und so wird, was in Indonesien „Terorisme“ heißt, in der Türkei als „Terör“ beziehungsweise „Terörizm“ bezeichnet. Auch das moderne Hebräisch kennt das Wort (Terōr), dessen ähnlich klingende Entsprechungen sich ebenfalls im Persischen, Japanischen und Russischen finden.

Wir können also festhalten, dass „Terror“ eine Sache sein muss, die nicht an die Grenzen von Sprach- und Kulturräumen gebunden ist. Er ist eine globale (wenn nicht gar universelle) Erfahrung. Und überall wird das Wort mit Angst in Verbindung gebracht. Dabei sind Angst und Terror nicht dasselbe. Vielmehr ist Terror all das, was darauf abzielt, Angst und Schrecken zu verbreiten.

Terror zielt darauf ab, Angst und Schrecken zu verbreiten

Aber warum sollte man das tun? Wieso sollte jemand ein Interesse daran haben, andere Menschen in einen Angstzustand zu versetzen? Um diese Fragen zu beantworten, sollten wir uns vielleicht zuerst fragen, was Angst eigentlich ist und was sie mit einem macht. Was fällt Ihnen ein, wovor haben Sie Angst?

Die Angst bleibt

Ich zum Beispiel habe ziemlich ausgeprägte Flugangst, welche über die Jahre (in denen ich immer wieder geflogen bin) eher noch zugenommen hat. Selbst in diesem Moment, in dem ich nur daran denke und keinerlei reelle „Gefahr“ besteht, dass ich mich tatsächlich in ein Flugzeug setzen müsste, beschleicht mich ein mulmiges Gefühl und ich merke eine körperliche Anspannung. Ich weiß nicht, woher oder seit wann ich diese Angst habe, aber ich erlebe sie immer wieder aufs Neue und sie ist definitiv real. Diesen Punkt verstehen viele Menschen nicht, die über Angst reden. Ängste und die damit verbundenen körperlichen und psychischen Reaktionen sind echt. Dabei spielt es keine Rolle, wie wahrscheinlich es ist, dass der Zustand, vor dem man sich fürchtet, tatsächlich eintritt. Die Angst bleibt. Sollten Sie also zu den Menschen gehören, die Leuten mit Flugangst immer wieder erzählen, dass „Flugzeuge zu den sichersten Verkehrsmitteln gehören“ oder dass „laut Statistik nur jede so und so vielte Maschine abstürzt“, hören Sie auf damit. Zwar ist es nett gemeint, aber es hilft leider fast nie.

Was ist eigentlich Angst?

Der Grund dafür ist, dass Angst eine der sogenannten Basisemotionen ist. Sie stammt aus einem Teil unserer Psyche, der deutlich tiefer liegt als jede noch so gute Statistik. Dies ist der Bereich des Unbewussten, der frühkindlichen Prägungen sowie der Bilder und Assoziationen. Außerdem weiß die Forschung mittlerweile, dass das menschliche Gehirn nicht in der Lage ist, sich Verneinung vorzustellen. Probieren wir es mal: Stellen Sie sich jetzt bitte keinen rosa Elefanten vor.

Zeichnung: R. Ghandour

Differenziertheit und Achtsamkeit ist im Zustand der Angst auf ein Minimum begrenzt

An was haben Sie gedacht? Natürlich: an einen rosa Elefanten. Das Gleiche passiert bei mir, wenn jemand die Worte „Flugzeug“ und „Absturz“ im selben Satz verwendet. Schon habe ich Bilder von brennenden Triebwerken und schreienden Menschen im Kopf und mir wird flau. In einem solchen Erregungszustand beherrscht diese Vorstellung das gesamte Denken und das ganze Verhalten ist nur noch darauf ausgerichtet. Jede Differenziertheit und Achtsamkeit für die Umgebung ist im Zustand der Angst auf ein Minimum begrenzt. Es ist der berühmte „Kampf- oder Fluchtmoment“. Es geht, zumindest gefühlt, ums nackte Überleben. In solchen Momenten gibt es nur noch ein Bedürfnis: Sicherheit. Alles andere wird zweitrangig.

Terroristen (bzw. Terrorregime) machen sich genau diesen Umstand zunutze

Ihr Ziel ist es, Menschen dauerhaft in Angst zu versetzen und so ihre volle Aufmerksamkeit zu bekommen. Alles konzentriert sich auf sie. Alles hängt von ihnen ab und sie bekommen so viel mehr Beachtung, als wenn sie beispielsweise Pamphlete verteilen oder Reden halten würden. Terror beziehungsweise Terrorismus (also der Einsatz von Terror zur Erreichung konkreter politischer Ziele) ist also eher eine Kommunikationsstrategie als eine militärische Taktik. Auch greifen Erklärungsversuche wie „Terroristen hassen unseren Lebensstil“ viel zu kurz. Den meisten Terroristen ist es bestimmt ziemlich egal, wie Sie ihre Zeit verbringen. Was sie wollen, ist Ihre Aufmerksamkeit und somit die Macht über Ihre Gedanken. Das ist interessant, da Terror oft ja ein Mittel ist, auf das besonders Menschen zurückgreifen, die sich selbst unterdrückt und ohnmächtig fühlen. Dies trifft auf die kurdische PKK genauso zu wie auf die Selbstmordattentäter der Hamas oder US-amerikanische Rassisten, die in schwarzen oder hispanischen Gemeinden Amok laufen.

Was also tun?

Auch wenn ich auf diese Frage ebenso wenig eine endgültige Antwort geben kann wie die meisten anderen (Pseudo-)Experten, die über die Themen Terror und Extremismus reden, so glaube ich, dass wir zumindest ein paar Handlungsmöglichkeiten haben. Zum einen sollten wir Terroristen nicht genau das geben, was sie wollen: unsere Aufmerksamkeit. Das betrifft unsere Mediennutzung genauso wie unsere Alltagsorganisation. Lassen Sie sich nicht von Ihrer Angst beherrschen und entwickeln Sie ihr gegenüber eine bewusste Distanz. Ich weiß, dass das viel leichter gesagt als getan ist und geradezu naiv klingt. Aber lassen Sie sich von mir sagen, dass ich ein mentales Wrack wäre, wenn ich jeden Tag mehrere Stunden über Flugzeugabstürze lesen oder hören müsste.

Sich mit den tatsächlichen politischen oder sozialen Anliegen von Terroristen beschäftigen

Außerdem sollten wir uns mit den tatsächlichen politischen oder sozialen Anliegen von Terroristen beschäftigen und diese (die Anliegen) ernst nehmen. Gegen welche (gefühlten) Ungerechtigkeiten wenden sie sich? Nur so erfahren wir, woher die Motivation dieser Menschen kommt. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich werbe nicht für Empathie oder Verständnis für Leute, die unschuldige Zivilisten angreifen, aber wir müssen uns zumindest fragen, warum Menschen Gewalt als einziges Mittel sehen, um ihre Ziele durchzusetzen. Warum glauben sie, dass andere Strategien (Verhandlungen, Teilnahme an demokratischen Wahlen etc.) weniger zielführend seien, als sich in Paris, Jerusalem oder Orlando in die Luft zu sprengen? Und in Nizza, Wien oder Dresden Menschen zu ermorden? Ich weiß, dass das unbequem ist (gerade, weil wir uns in vielen Fällen mit Ungerechtigkeiten auseinandersetzen müssten, für die wir selbst mitverantwortlich sind oder von denen wir zumindest profitieren), aber wahrscheinlich wird man nicht darum herumkommen, wenn man ernsthaft etwas gegen Terrorismus tun will.


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Über den Autor

Ramzi Ghandour

Ramzi Ghandour ist Islam- und Politikwissenschaftler. Er war mehrere Jahre Fachreferent bei „Gegen Vergessen für Demokratie e.V.“ und promoviert nun an der an der Universität Osnabrück am Institut für Islamische Theologie.

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