Wie wird man dem Schmerz von Hinterbliebenen gerecht, die nicht nur den Tod ihrer Familienangehörigen betrauern, sondern einen Umgang damit finden müssen, dass ihr Leid auf rechtsextremen Terror und jahrelanges Versagen staatlicher Sicherheitsbehörden zurückzuführen ist? Wie verleiht man diesem Schmerz eine Stimme, die deutlich von allen gehört und gleichzeitig jene so dringend nötige Aufklärung und Aufarbeitung der Geschehnisse leisten kann? Wenn sich „Gerechtigkeit“ nicht mehr herstellen lässt, wie kann dann wenigstens ein Ort für Anteilnahme und würdevolle Bestätigung der Trauer der Hinterbliebenen geschaffen werden? Ein Dokumentationszentrum zu den Verbrechen der rechtsextremen Terrorgruppe NSU (NSU-Dokumentationszentrum) soll dies als „Zentrale für neue Wachsamkeit“ [1] ermöglichen.

Drei Menschen ermordeten im Rahmen des rechtsextremen „Nationalsozialistischen Untergrund“ in den Jahren 2000 – 2007 zehn Menschen. Neun von ihnen hatten einen migrantischen Hintergrund. Die Terrorzelle flog 2011 auf. Zwei der drei Mitglieder – Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt – hatten sich zu dem Zeitpunkt bereits suizidiert und wurden tot aufgefunden. Das dritte Mitglied, Beate Zschäpe, flüchtete und konnte erst eine knappe Woche später festgenommen werden.

Machen. Machen!

„Energisches Vorantreiben“ der Errichtung dieses Dokumentationszentrums hieß es im Koalitionsvertrag der Ampel. Seit Ende Februar 2024 gibt es eine 43 Seiten lange Machbarkeitsstudie. Vorgelegt hat sie die Bundeszentrale für politische Bildung, die drei konkrete Ziele fokussiert:

  • Im Zuge einer „kritischen Aufarbeitung des NSU-Komplexes“ sollen im Zentrum auch das „umfassende Versagen“ von Staat, Sicherheitsbehörden und vorhandenen „gesellschaftlichen Kontrollmechanismen“ thematisiert werden, so heißt es in der Machbarkeitsstudie.
  • Der NSU-Terror soll in die Geschichte des deutschen Rechtsterrorismus seit 1945 eingeordnet werden, um die bisher bestehende Auslassung in der deutschen Gedenkstättenhistorie zu füllen.
  • Das Zentrum soll ein Ort zum Gedenken der Mordopfer sein.

Inwieweit bzw. wie rasch diese Studie in die Realität umgesetzt wird, zeigt sich. Immerhin sieht der aktuelle Haushalt 500.000 Euro vor zur Finanzierung eines initial 15 Mitarbeiter starken Aufbaustabs. Bis 2027 soll der Bau abgeschlossen und die Mitarbeiteranzahl auf 45 erweitert worden sein. Neben einer Dauerausstellung ist ein Rechtsterrorarchiv mit Akten aus den NSU-Untersuchungsausschüssen und dem NSU-Prozess am Oberlandesgericht vorgesehen.

Das NSU-Dokumentationszentrum. Machbarkeit hin, Sicherheit her

Weiterhin unklar ist der Standort für das NSU-Dokumentationszentrum. Genügend Städte mit NSU-Bezug gibt es zwar, derzeitige Favoriten sind Nürnberg, Köln und Berlin. Allerdings spielen neben einer gewissen obligaten Grundstruktur für derlei Projekte wie z.B. vorhandenes Besucherpotential auch die Gewährleistung der Sicherheit für Besucher mit migrantischem Hintergrund eine Rolle. So war in Sachsen bereits 2019 ein NSU-Dokumentationszentrum geplant und eine Machbarkeitsstudie herausgebracht worden. Jedoch hatten die Opferfamilien Sachsen bzw. Chemnitz als Standort abgelehnt. Grund war, dass die Opferfamilie sich dort, wo das NSU-Trio Zschäpe/Mundlos/Böhnhardt über Jahre hinweg lebte und seine Taten plante, nicht sicher fühlten – Stichwort Staatsversagen. Denn gerade das jahrelange Versagen der staatlichen Sicherheitsbehörden soll den „besonderen Fokus auf die Perspektiven der Opfer“ unterstreichen, so das Ziel der geplanten Dauerausstellung. Dem Schmerz der Familien soll öffentlich und in andauernder Erinnerung Würde getragen werden.

Quellen: Aufarbeitung der NSU-Morde: Zentrum für neue Wachsamkeit – Politik – SZ.de (sueddeutsche.de)

Titelbild: Deckblatt der Machbarkeitsstudie zum NSU-Dokumentationszentrum der Bundeszentrale für politische Bildung, Februar 2024

    Über den Autor

    Antonia Kennel

    ... ist Schauspielerin, Hypnotherapeutin, NLP-Trainerin und Ärztin. Geboren und aufgewachsen in Bayerisch-Schwaben. In ihrer Freizeit schreibt sie für verschiedene Magazine.

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