Heute, am 2. Mai, feiert die orthodoxe Kirche in diesem Jahr das Osterfest. Also fast einen Monat später als die westlichen Christen. Christi Auferstehung, oder „Paskha“ auf Russisch, ist der bedeutendste Feiertag nicht nur der russischen, sondern auch weißrussischen, serbischen, ukrainischen und georgischen orthodoxen Christen. Doch wieso wird Ostern erst später gefeiert? Welche Traditionen prägen die russisch-orthodoxe Kirche?
Die orthodoxe Kirche und ihre Kalendergeschichte
Unterschiedliche Daten der kirchlichen Festen waren schon immer eines von vielen Zeichen der Spaltung der Kirchen. Die Orthodoxie richtet sich nach dem julianischen Kalender. Diesen führte der römische Kaiser Julius Caesar im Jahr 45 vor Christus ein. Er ist der Vorläufer des heute in Westeuropa gebräuchlichen gregorianischen Kalenders. Die orthodoxe Kirche feierte Feste, wie z.B. Weihnachten, in der Regel 13 Tage später.
Da Ostern sowohl in der römisch-katholischen als auch in orthodoxen Traditionen am ersten Sonntag nach dem Vollmond nach der Frühlings-Tagundnachtgleiche gefeiert wird, kommt es oft zu viel größeren Differenzen zwischen den beiden Kalendern.
Fasten und Osterfest
40 Tage vor Ostern wird in der orthodoxen Kirche strikt gefastet, um den Körper und die Seele zu reinigen. Es soll auf jede Art von tierischen Erzeugnissen verzichtet werden. Dabei spielt die geistige Entgiftung – also der Verzicht auf die eigenen Laster und Gelüste – eine viel größere Rolle.
Am Samstagabend findet der Ostergottesdienst statt. Das Highlight der prachtvollen Zeremonie ist der Kreuzgang. Der Geistliche geht zusammen mit den Gläubigen einmal um die Kirche. Dabei tragen sie Kerzen, Flaggen, sowie die Ikone der Auferstehung Christi. Dies soll den Weg der Jünger, die dem auferstandenen Christus entgegen gingen, symbolisieren.
Der Gottesdienst geht meistens von 23 Uhr nachts bis vier Uhr morgens. Viele können die mehrstündige Messe nicht komplett mitfeiern, weil es in orthodoxen Kirchen keine Sitzbänke gibt. Darum wird jedes Jahr der Gottesdienst aus der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale, dem Zentrum des religiösen Lebens in Russland, live im TV übertragen.
Paskha, Kulitsch und rote Eier und Ostergruß
Ostereier und Osterbrot (russ. Kulitsch). Foto: Copypaiste, Wikipedia
Der Ostersonntag beginnt in den meisten Familien mit einem gemütlichen Osterfrühstück. Auf dem Tisch stehen Kulitsch (das russische Osterbrot), Paskha und rote Eier. Die Eier werden vorwiegend rot gefärbt, meistens, indem sie mit Zwiebelschalen gekocht werden. Sehr populär ist in Russland der österliche Eier-Kampf. Ziel ist es, die Eier der Gegner zu zerbrechen, ohne sein eigenes Ei dabei zu beschädigen.
Eine ganz wichtige Rolle an Ostersonntag spielt der russische Ostergruß. Anstatt „Hallo!“ zu sagen, wird jeder mit den Worten „Christus ist auferstanden!“ (Russisch: „Христос Воскресе!“) angesprochen. Darauf soll immer die Antwort „Wahrhaftig, er ist auferstanden“ (Russisch: „Воистину Воскресе!“) folgen.
„Sowjetisierung“ des Osterfestes und sein Comeback
Vor der Oktoberrevolution wurde Ostern groß gefeiert. Im zaristischen Russland spielte die Religion eine ausschlaggebende Rolle. Byzantischen Vorstellungen zufolge war die russisch-orthodoxe Kirche sehr nah am Volk und noch näher am Zaren. Als die Bolshewiki nach der Oktoberrevolution an die Macht kamen, erklärten sie den Atheismus zur Staatsdoktrin. Damit begann die massive Verfolgung der orthodoxen Kirche und ihrer Angehörigen. Es wurde zwar nicht verboten, religiöse Feste zu feiern, jedoch ging die Kirche in den Untergrund.
In den Sowjettagen entstand die Tradition, den Ostersonntag auf den Friedhöfen zu feiern. Der Grund dafür ist, dass sich viele aus Angst nicht trauten, in die Kirche zu gehen. Darum verbrachten die Familien Ostern an den Gräbern ihrer verstorbenen Angehörigen. Natürlich hatten sie immer Kulitsch, rote Eier und Wodka dabei. Diese Tradition hat sich bis heute gehalten.
Als Michail Gorbatschow „Glasnost“ und „Perestrojka“ ankündigte, erlebte die orthodoxe Kirche in Russland einen erstaunlichen Aufschwung. Im heutigen Russland strebt die Kirche wieder nach einem engen Verhältnis zur Regierung und stößt damit zu Recht beim Volk oft auf massive Kritik. Auch die Politik scheint, zumindest in den Augen der Bevölkerung, Annäherung von Kirche und Staat zu suchen. Darum nehmen am Ostergottesdienst viele prominente russische Politiker*innen teil, unter andrem auch der Präsident.
Russische Orthodoxie in Deutschland
Christi-Auferstehungs-Kathedrale – prominent am Hohenzollerndamm gelegen – ist das Zentrum des Gemeindelebens in Berlin. Viele Gläubige nehmen jedes Jahr an der spektakulären Ostermesse teil. Foto: A. Savin, Wikipedia
Die russisch-orthodoxe Kirche gibt es in Deutschland seit mehr als 350 Jahren und gehört offiziell dem Patriarchat von Moskau. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Öffnung der Grenzen kamen viele getaufte orthodoxe Christen aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland.
Nach Einschätzungen der Kirchenvertreter gibt es heute in ganz Deutschland mehr als 100 Gemeinden. Fast 600 Tausend russisch-orthodoxe Christen leben in Deutschland. So haben die Gläubigen die Möglichkeit, an der Oster-Liturgie teilzunehmen und ihre heimischen Traditionen zu bewahren.