„Glasfäden – Aus dem Osten in den Osten“ Eine Comic-Empfehlung

Eine Mutter erzählt, die Tochter versucht zu verstehen, wie die Mutter aus Vietnam in die DDR kam. Wie ihr Leben damals aussah. Was sich mit dem Mauerfall änderte und warum die Mutter Blumenhändlerin wurde. Während die Tochter zuhört, nachfragt, kommentiert und auch von ihrem eigenen Leben als 2. Generation erzählt, wischen wir an unseren Handys mit. Denn diese Familiengeschichte wird in Comic-Form erzählt und ist ausschließlich als App verfügbar.

Niedrigschwelliger Einstieg für Jugendliche per App

Damit stellt „Glasfäden“ gleich in dreifacher Hinsicht einen niedrigschwelligen Einstieg für Jugendliche in das Thema DDR-Migrationsgeschichte dar: Erstens wird die Geschichte aus der Sicht eines jungen Menschen erzählt und bietet somit eine Identifikationsfigur für Jugendliche. Zweitens verführt die Comicerzählform mit seinem Manga-ähnlichen Stil und einer Gesamtlesezeit von ca. 35 Minuten Länge auch eher Lesefaule zum Reinschauen und Dranbleiben. Drittens kommt die Umsetzung als App tendenziell den Medienkonsumgewohnheiten der jungen Generation näher. Diese wendet sich mehr und mehr vom gedruckten Buch ab- und den Handybildschirmen zu.

Inhalt: Eine fiktive Geschichte in Comicform über die DDR-Vertragsarbeit

Und wie steht es um den Inhalt? Grundlage für die vom Chemnitzer Verein ASA-FF entwickelte App waren Interviews mit ehemaligen Vertragsarbeiterinnen und ihren Nachkommen aus Chemnitz und Umgebung. Dabei erinnert die Methode, eine fiktive Geschichte in Comicform über die DDR-Vertragsarbeit auf Grundlage von Interviews mit mehreren realen Personen zu erschaffen, an Birgit Weyhes gelungenen Comic „Madgermanes“. Gleichwohl weckt der Fokus der App auf die vietnamesische Community und speziell ein Mutter-Tochter-Verhältnis Erinnerungen an die sehr persönliche Podcastfolge „Meine Mutter, die Blumenfrau“ von Rice and Shine. Die Tiefe der Thematik wird im Webcomic zwar nicht umfassend ausgelotet. Aber das ist bei einem Produkt, das als Einstieg in das Thema für Jugendliche ab 14 Jahren gedacht ist, auch gar nicht nötig. Dafür bietet ein 23-seitiges Begleitheft zusätzliche Informationen. Darin geht es um die Einwanderung in die DDR und das Leben nach der Wiedervereinigung. Das Begleitheft kann kostenlos auf der Internetseite heruntergeladen werden.

Fazit zum Comic

Die im März veröffentlichte App ist in jeder Hinsicht eine Bereicherung, besonders für Jugendliche. Sie erweitert das langsam vielfältiger werdende mediale Angebot zur DDR-Migrationsgeschichte. Darüber hinaus punktet die App durch Dreisprachigkeit: „Glasfäden“ ist auf deutsch, vietnamesisch und englisch verfügbar. Einziger Wehmutstropfen: Eine Desktopversion des Webcomics gibt es leider nicht. Wessen Smartphone nicht über die nötigen Android- oder iOS-Versionen verfügt, bekommt  nichts zu sehen.

Hier können das Spiel sowie das Begleitheft heruntergeladen werden: Aus dem Osten in den Osten – Glasfaeden

Titelbild: Titelbild der Webseite „Glasfäden – Aus dem Osten in den Osten“

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Über den Autor

Julia Solinski

Julia Solinski ist Mitarbeiterin im Projekt „MigOst – Ostdeutsche Migrationsgesellschaft selbst erzählen“ beim Dachverband der Migrant*innenorganisationen in Ostdeutschland (DaMOst e.V.).

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