In regelmäßigen Abständen gibt eine Sachverständigenkommission im Auftrag des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend einen Bericht zur Lage von Familien in Deutschland heraus. Ziel des Gutachtens ist es, Familien zu stärken, „so dass Kinder und ihre Eltern gut leben, lernen und arbeiten können“. Der Bericht analysiert nicht nur die Situation und die Veränderungen bzgl. der Lebenslagen von Familien. Er empfiehlt auch konkrete familienfördernde Maßnahmen.

Im 9. Bericht, der im März 2021 erschien, wird ein besonderer Schwerpunkt auf die Situation von migrantischen Familien gelegt.

Drei zentrale Aussagen über Elternschaft in der Gegenwart werden getroffen:

  • Heutige Elternschaft wird immer intensiver. Eltern verbringen mehr Zeit mit ihren Kindern. Dennoch haben Eltern zunehmend das Gefühl, den gestiegenen Anforderungen nicht genügen zu können.
  • Eltern sind heute in jeder Hinsicht diverser. Unterschiedliche Familienformen wie Patchworkfamilien, Einelternfamilien etc., Herkünfte, sexuelle Orientierungen und andere Vielfaltsmerkmale werden immer mehr zur Normalität. Das Bild der klassischen Familie besteht aus einem deutschen Vater und einer deutschen Mutter (verheiratet) sowie einem oder zwei Kindern. In dieser Familie ist der Vater Haupternährer und die Mutter arbeitet als Hausfrau oder in Teilzeit. Diese klassische Familie macht jedoch einen immer geringeren Teil der Familien aus. Dennoch besteht dieses Familienbild vielfach fort.
  • Die soziale Ungleichheit von Familien und die Heterogenität der Lebenslagen nehmen ebenfalls zu. Daher spielt Bildung eine immer größere Rolle. Denn hier liegt eine wichtige Stellschraube, durch die man Ungleichheit zumindest für zukünftige Generationen abbauen kann.

Für migrantische Familien wird festgestellt, dass:

  • der Anteil an Familien, in denen mindestens ein Mitglied eine Einwanderungsgeschichte hat, ständig seigt.
  • das Armutsrisiko in Familien mit Einwanderungsgeschichte erhöht ist.
  • die Vielfalt durch Zuwanderung in vielen Bereichen der Gesellschaft nicht angemessen abgebildet wird.
  • migrantische Familien sehr heterogen sind und sie daher unterschiedliche Bedarfe haben.
  • ressourcenarme Eltern ihre Kinder nicht so fördern können, wie sie möchten und wie es heutzutage nötig ist. Durch die Intensivierung der Elternschaft führt das zu einer Vergrößerung der Unterschiede.

Für die Verbesserung der Lebenslagen von migrantischen Familien gibt der Bericht folgende Empfehlungen:

*Hürden für den Familiennachzug sollen abgebaut werden. Gelebte familiäre Bindungen sind sehr wichtig für das Wohlbefinden der Menschen. Wenn Familien gar nicht zusammenleben können, weil Visaanträge sehr langsam bearbeitet werden, leiden besonders auch die Kinder.

*Interkulturelle Öffnung aller Institutionen soll Teilhabe ermöglichen und Barrieren abbauen.

*Barrieren für Kitabesuch müssen abgebaut werden. Kinder aus migrantischen Familien gehen seltener in die Kita. Gegen einen Kita-Besuch bestehen aber nur selten grundlegende Vorbehalte. Häufiger liegt der Grund dafür in Zugangsbarrieren auf Seiten der Kitaträger.

*Zusammenhang von Bildungserfolg und sozialer Herkunft soll entkoppelt werden.

*Erziehungs- und Bildungspartnerschaften über verschiedene Ebenen sind wichtiger denn je. Schulen und Kitas sind in Sozialräumen verortet. Sie sollen multiprofessionelle Teams beschäftigen und sich vernetzen. Die Zusammenarbeit mit Eltern muss verbessert werden.

Der gesamte Bericht hier zum Nachlesen.

Über den Autor

Anja Treichel

… hat schon zu DDR-Zeiten beschlossen, nicht wegzugehen, wenn die Herausforderungen groß sind, sondern zu bleiben, um Veränderungen zu bewirken … hat aktiv an der Demokratiebewegung in der DDR teilgenommen und war später schockiert von der entfesselten Gewalt gegen Migrant*innen und alle, die „irgendwie anders“ waren … begann nach dem „Aufstand der Anständigen“ 2000 in der Beratung von Betroffenen rechter Gewalt in Wurzen/Sachsen zu arbeiten … war von 2005 bis 2017 Geschäftsführerin und Beraterin beim Verband binationaler Familien und Partnerschaften in Leipzig … war von 2017 bis 2020 beim Landesnetzwerk Migrantenorganisationen in Sachsen/Anhalt tätig … und von 2020 bis Mai 21 beim Dachverband der Migrantenorganisationen in Ostdeutschland (DaMOSt) … arbeitet seit 1996 freiberuflich als Coachin, Beraterin, Fortbildnerin … seit Juni 2021 beim Bundeselternnetzwerk der Migrantenorganisationen für Bildung & Teilhabe (bbt).

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