Berühmte Hafenmetropolen wie New York, San Francisco oder London sind bekannt für ihre schillernden Viertel mit zahlreichen chinesischen Restaurants und Geschäften – oder kurz und knackig: Chinatown. Auch in Deutschlands größter Hafenstadt Hamburg gab es auf St. Pauli ein solches “Chinesenviertel” – zumindest bis zur Verfolgung der chinesischen Einwohner durch die Nationalsozialisten. Bei der sogenannten “Chinesenaktion” wurden am 13. Mai 1944 rund 130 Menschen verhaftet und in verschiedene Lager verschleppt. Den damit verbundenen Miss-handlungen und der Zwangsarbeit fielen nicht wenige von ihnen zum Opfer. Der Gedenktag für im Nationalsozialismus verfolgte Chinesen erinnert an diese Menschen. Deren Geschichte im heutigen Stadtbild sowie im gesellschaftlichen Gedächtnis ist bislang nur wenig präsent. Daher wollen wir diese Geschichte erzählen. 

Chinesisches Leben in Hamburg

Also zurück zum Chinesenviertel: Dieses lag in Hamburg in der Schmuckstraße auf St. Pauli nahe der Reeperbahn. Dort – zwischen Talstraße und Großer Freiheit – befanden sich in den 1920er Jahren zahlreiche Geschäfte wie Wäschereien, Geschäfte oder Gaststätten. Diese wurden häufig von Menschen betrieben, die den langen Weg von China nach Hamburg auf sich genommen hatten. Auch sogenannte „Opiumhöhlen“ soll es in der Hamburger Chinatown gegeben haben. Aber dazu später mehr. 

Warum gab es so viel chinesisches Leben mitten im berühmt-berüchtigten Vergnügungsviertel der Hafenstadt? Bereits Ende des 19. Jahrhunderts kamen vor allem Seeleute aus China nach Hamburg, einige von ihnen ließen sich im Amüsier- und Hafenbezirk der Hansestadt nieder. Anfang des 20. Jahrhundert boomte in Europa die Handelsschifffahrt – Reedereien wie Hapag oder Norddeutscher Lloyd beschäftigten zahlreiche chinesische Arbeiter. Sie galten als “besonders hitzebeständig”. Ein rassistisches Narrativ, das sich auch in den Ansichten der Bevölkerung außerhalb der Schifffahrtsblase widerspiegelte.

Rassistische Vorurteile und Diskriminierungen

In der Öffentlichkeit machten Gerüchte über eine zwielichtige Unterwelt inklusive Tunnelsystem und Drogenhandel die Runde – das klischeehafte Bild der Opiumhöhlen in Chinatown wurde auch für die Schmuckstraße verwendet. Nicht wenige chinesische Einwohner*innen müssen unter Vorurteilen und Diskriminierungen gelitten haben. Doch auch Freundschaften sowie Liebesbeziehungen zwischen Migrant*innen und deutschen Einwohner*innen entstanden in dieser Zeit. Mit der rassistischen Herrschaft der Nationalsozialisten ab 1933 verschärfte sich die Lage der chinesischen Bevölkerung zunehmend, vor allem seit der Kriegserklärung der Chinesischen Republik an Deutschland im Dezember 1941.  

Den Höhepunkt der Verfolgung bildete die “Chinesenaktion” am 13. Mai 1944, bei der 129 in Hamburg lebenden Chines*innen verhaftet und ins Polizeigefängnis nach Fuhlsbüttel gebracht wurden. Dort und unter anderem auch im “Arbeitserziehungslager” in Wilhelmsburg wurden sie monatelang misshandelt, gefoltert sowie zur Zwangsarbeit gezwungen. Mindestens 17 Menschen aus China starben in Folge der Inhaftierungen. Die Zeit von Hamburgs Chinatown fand damit ihr Ende, ein überaus grausames noch dazu. 

Heutiges Gedenken an die Verfolgung

Nur ein paar der Überlebenden sind nach dem Zweiten Weltkrieg nach Hamburg zurückgekehrt. Darunter zum Beispiel Chong Tin Lam, der bis zu seinem Tod Anfang der 1980er Jahre die Hong-Kong-Bar auf dem Hamburger Berg betrieb. Seine Tochter Marietta Solty übernahm das Lokal, bis auch sie 2021 starb. Seit Juni desselben Jahres erinnern in der Schmuckstraße 13 Stolpersteine an einige der chinesischen Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung. Seit 2012 steht dort eine Gedenktafel, die über die “Chinesenaktion” informiert und die Erinnerung an die Opfer im Viertel erhält. Und der 13. Mai will als Gedenktag für im Nationalsozialismus verfolgte Chinesen auf die damaligen Geschehnisse aufmerksam machen – finanzielle Entschädigungen für die Haftzeit sowie Plünderungen durch die Nationalsozialisten gab es trotz der Bemühungen von Überlebenden bislang jedoch nicht.

Erinnerungstafel an das „Chinesenviertel“ St. Pauli in der Schmuckstraße Hamburg. Foto: privat
Titelfoto: Stolperstein für Woo Lie Kien vor dem Haus Schmuckstraße 7 in Hamburg St. Pauli. Foto: privat