2012 ertrank die Leichtathletin Samia Yusuf Omar mit 21 Jahren auf dem Weg nach Europa im Mittelmeer. Sie hatte die Flucht aus Somalia gewagt, um bei den Olympischen Spielen 2012 in London als Läuferin teilnehmen zu können. Ihr Weg führte über Äthiopien, den Sudan und Libyen und endete im Mittelmeer.

Mit der Unterstützung der Journalistin Teresa Krug, einer Freundin von Samia und ihrer Schwester Hoda Yusuf Omar erzählt der deutsche Schriftsteller und Illustrator Reinhard Kleist die Geschichte der jungen Sportlerin im Graphic Novel Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia Yusuf Omar.

Ihre Geschichte macht auf die Ursachen von Flucht und den Umgang in Europa mit den Menschen aufmerksam, die nach Europa gelangen wollen aus Verzweiflung über ihre Situation und in der Hoffnung auf ein besseres Leben.

Die Geschichte von Samia Yusuf Omar

Vorgeschichte

2008, vier Jahre vor ihrer Flucht, vertrat Omar ihre Heimat Somalia bei den Olympischen Spielen in Peking. Hier erlebte sie, wie es ist ihre Leidenschaft, das Laufen, ohne die Repressalien und Gefahren in ihrem Land ausleben zu können. Denn Somalia befindet sich im Chaos eines Bürgerkriegs und die islamistische Al-Shabaab-Miliz terrorisiert ihre Heimatstadt Mogadischu.

Trotz ihrer Platzierung als Letzte im olympischen Sprint erhält sie große mediale Aufmerksamkeit und die Freiheit, die sie dort erlebt hatte, blieben ihr in Erinnerung.

© Reinhard Kleist, Carlsen Verlag, 2015

Verzweiflung

Zurück in Somalia lässt sich ihre sportliche Karriere allerdings nicht so einfach ausbauen. Das Trainingsgelände, ein durch den Bürgerkrieg halb zerstörtes Stadion, fehlende Ausrüstung und familiäre Verpflichtungen erschweren das Training. Zudem verbieten die religiösen Fundamentalisten der Al-Shabaab-Miliz Frauen jegliche sportliche Aktivität und drohen Samia deshalb.

Letztlich sieht sie die Flucht nach Europa als einzige Chance, um ihren Traum zu erfüllen, erneut an den Olympischen Spielen teilzunehmen und so auch ihre Familie zu unterstützen.

© Reinhard Kleist, Carlsen Verlag, 2015

Flucht

Für Samia Yusuf Omar bedeuten die Olympischen Spiele in London Freiheit. Sie symbolisieren einen Weg aus der Unterdrückung, dem Krieg und der Armut für sich und ihre Familie. Schweren Herzens aber mit diesem Ziel vor Augen tritt sie zusammen mit ihrer Tante Mariam den Weg Richtung Europa an. Doch die Reise ist mit großen Schwierigkeiten verbunden. Sie sind den mit geliehenem Geld angeheuerten Schleppern ausgeliefert und werden zwischendurch voneinander getrennt. Samia gerät wiederholt in gefährliche Situationen und sitzt oft wochenlang an einer Station fest ohne eine Möglichkeit vorwärts oder zurück. An der Küste von Libyen landet sie schlussendlich auf einem überladenen Schlauchboot Richtung Italien. Doch diese Etappe der Reise überlebt die junge Frau nicht. Samia Yusuf Omar ertrinkt im Meer, bevor sie die Küste erreichen können.

© Reinhard Kleist, Carlsen Verlag, 2015

Legacy

Die Erzählung endet mit der gezeichneten Version eines YouTube-Videos. In einer Rede macht hier der ehemalige somalische Läufer Abdi Bile auf das Schicksal von Samia Yusuf Omar aufmerksam und spricht den Wunsch aus, sie als Heldin in Erinnerung zu behalten.

Sein Wunsch, sie in Erinnerung zu halten, scheint sich verwirklicht zu haben. Inzwischen wurde ihre Geschichte neben dem Graphic Novel von Reihard Kleist auch in einem Roman (Mit Träumen im Herzen von Giuseppe Catozzella) und in verschiedenen künstlerischen Produktionen verarbeitet. Im Gedenken an sie findet zudem jedes Jahr der Benefizlauf Lago di Comabbio Run – Corri con Samia in Italien statt.

Der Traum von Europa

Immer wieder sprechen die Menschen, denen Samia auf der Flucht begegnet, von den Träumen und Hoffnungen, die sie mit Europa verbinden. Vor allem die Aussicht, dort Arbeit zu finden und genug Geld zu verdienen, um die eigene Familie versorgen zu können, treibt viele von ihnen an. Obwohl diese Menschen aus den verschiedensten Gründen versuchen, nach Europa zu gelangen, haben sie eines alle gemeinsam: Europa macht es ihnen nicht leicht, dessen Grenzen zu passieren. Reinhard Kleist kritisiert hier deutlich die Asyl- und Abschottungspolitik der EU, die Samia und vielen andere Fliehenden zum Verhängnis wurde.

Aktualität

„Ich hoffe, dass ich mit diesem Buch Samia Yusuf Omar gerecht werde und dass ihre Geschichte dazu beiträgt, unser Bewusstsein dafür wachzuhalten, dass sich hinter den Randnotizen der Medien zur Flüchtlingspolitik Schicksale und hinter den abstrakten Zahlen Menschenleben verbergen“

Reinhard Kleist im Vorwort von „Der Traum von Olympia“

Während viele Autor*innen sich Schicksalen in der Vergangenheit zuwenden, nimmt Kleist in Der Traum von Olympia die der Gegenwart in den Blick. Die Geschichte von Samia Yusuf Omar und die Message des Graphic Novels ist trotz der Veröffentlichung vor fast 10 Jahren noch immer hoch aktuell. Nicht nur finden gerade die Olympischen Spiele in Paris statt und verleihen der Erzählung so Aktualität. Sondern weiterhin ertrinken jedes Jahr Tausende Menschen auf der Flucht im Mittelmeer.

Die Sportlerin und ihr Schicksal stehen beispielhaft für die Menschen, welche ihr Leben auf der Flucht gelassen haben und erinnert daran, dass es in den abstrakten politischen Debatten um individuelle Menschenleben geht.

Titel: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia Yusuf Omar

Illustration & Text: Reinhard Kleist

Seiten: 152

Veröffentlichung: 2015

Preis: 12 Euro

ISBN: 978-3-551-71386-5

Lesealter: ab 14 Jahren

© Reinhard Kleist, Carlsen Verlag, 2015

Literatur:
https://www.comic.de/2015/09/der-traum-von-olympia/
https://www.comic.de/2020/03/fluchtwege-in-der-kultur-comics-und-migration/
Rinnerthaler, Peter: Die Ästhetik der Vermittlung. Die Themen Flucht und Migration in Comics/Graphic  Novels, in: Flucht und Migration (Jahrbuch der Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung), 2017, S. 114-129.
Titelbild: © Reinhard Kleist, Carlsen Verlag, 2015