„Nichts ist so konstant wie der Wandel“. Diese schönen Worte von Heraklit treffen auch auf das Leben in der Migrationsgesellschaft zu. Migrationsgesellschaften sind Gesellschaften in Bewegung. Insbesondere in den letzten Jahren hat die Bewegung zugenommen. In Deutschland hat jeder vierte Einwohner familiäre Wurzeln im Ausland. Bei den Kindern unter sechs Jahren sind es fast 40 Prozent. In einer Veröffentlichung des Kompetenznetzwerkes „Zusammenleben in der Migrationsgesellschaft“ mit dem schönen Titel „Migrationsgesellschaft im Wandel: Impulse und Perspektiven aus der Praxis“ geht es um Veränderungen und Bewegung in vielen verschiedenen Bereichen der Migrationsgesellschaft.

Menschen kommen und gehen

Klar ist: Die Gesellschaft verändert sich durch Zu- und Wegzug von Menschen. Nur mittelbar ist dieser Wandel zu steuern. Menschen gehen ihre eigenen Lebenswege. Sie bringen ihr Wissen und ihre Fähigkeiten in die Gesellschaft ein, prägen sie und nehmen ihr Know-How mit, wenn sie das Land verlassen.  Auf der anderen Seite kann jedoch das Zusammenleben in der Migrationsgesellschaft aktiv und unmittelbar gestaltet werden. Zahlreiche Initiativen und Programme haben in den letzten Jahren die Partizipation, das diverse Erinnern oder das Zusammenleben in diversen Communitys gefördert.

Nicht alles ist Friede, Freude, Eierkuchen

Trotzdem haben nach wie vor nicht alle Menschen gleiche Chancen der Teilhabe oder gleichberechtigte Möglichkeiten der Repräsentanz. Und nicht alle Menschen heißen Veränderungen gleichermaßen willkommen, sondern reagieren auch mit Ängsten, Abwehr und Ablehnung.

Sich den Herausforderungen stellen

Diesen Hausforderungen zu begegnen, hat sich das vom Familienministerium geförderte Kompetenznetzwerk „Zusammenleben in der Migrationsgesellschaft“ zur Aufgabe gemacht. Ziel ist es, innovative Ansätze für die präventiv-pädagogische Praxis weiterzuentwickeln und damit in die Fachwelt sowie in die Gesellschaft hineinzuwirken. Es sollen aber auch Öffnungsprozesse in den eigenen Organisationen vorangetrieben und verankert werden, um als Beispiel für andere wirken zu können.

Angebote aus dem Kompetenznetzwerk

In der Broschüre zeigt das Kompetenznetzwerk, wie es mit den Herausforderungen des Wandels in der deutschen Migrationsgesellschaft umgeht und welche Angebote die einzelnen Partner*innen machen.

neue deutsche organisationen

In ihrem Beitrag zeichnen die neuen deutschen organisationen (ndo) eine Auswahl an Aspekten des Wandels in der Migrationsgesellschaft nach. In den letzten Jahren wurde Rassismus und weiß-Sein in der breiten Öffentlichkeit besprechbar. Dies ist unter anderem ndo zu verdanken, die gemeinsam mit anderen Organisationen migrantische und postmigrantische Perspektiven in den öffentlichen Diskurs einbringen.

Türkische Gemeinde in Deutschland

Welche Hausforderungen in der komplexen Realität des vielfältigen Zusammenlebens auf uns alle zukommen und welche Bedeutung darin die Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure hat, darauf weist die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) in ihrem Beitrag hin. Die TGD e.V. beschreibt ihre eigene Arbeit und Funktion als Brücke zwischen Zivilgesellschaft und Förderlandschaft, indem sie Migrant*innenselbstorganisationen und postmigrantische Organisationen beraten und mit staatlichen Strukturen verbinden. Dabei spielt auch Wissenstransfer in verschiedene Strukturen und die damit verbundene Veränderung von Regestrukturen eine wichtige Rolle.

Gegen Vergessen Für Demokratie

Gegen Vergessen – Für Demokratie beschäftigt vor allem der erinnerungskulturelle Wandel in der deutschen Migrationsgesellschaft. Im Mittelpunkt des Beitrags steht die Frage, wie Geschichtsvermittlung für eine Migrationsgesellschaft im Wandel gelingen kann. An verschiedenen Ergebnissen der eigenen Arbeit im Rahmen des Kompetenznetzwerkes wird erklärt, wie historische Ereignisse, wie z.B. die Transformations- und Migrationsgesellschaft in Ostdeutschland oder die Stadt- und Regionalgeschichte um die migrantische Perspektive erweitert werden können und mit welchen Methoden.

Dachverband der Migrant*innenorganisationen in Ostdeutschland

Wie der transgenerationale Austausch ostdeutsche (post)migratische Perspektiven verändern kann, thematisiert der Dachverband der Migrant*innenorganisationen in Ostdeutschland (DaMOst) in seinem Beitrag. Die Arbeit von DaMOst im Kompetenznetzwerk zeigt, wie sich (post)migrantische, ostdeutsche und jugendpolitische Expertise durch transgenerationalen Wissenstransfer weiterentwickeln kann. Denn das Teilen ostdeutscher migrantischer biografischer Erfahrungen ist keine Selbstverständlichkeit, sondern geht oft mit Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen einher.

Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa

Wie gesellschaftlicher Wandel in der eigenen Organisation gelingen kann, beschreiben die Autor*innen der Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa. Am Beispiel der Gründung und der Arbeit einer stiftungsinternen BPoC-Gruppe werden gesellschaftliche Veränderungsprozesse aufgegriffen. Die Schwarzkopf-Stiftung möchte andere Organisationen beim Initiieren organisationaler Öffnungsprozesse unterstützen. Das Kernziel lautet, durch eine Weiterentwicklung der Organisation im Hinblick auf Personalstrukturen, Programmatik und Zielgruppenorientierung die Teilhabechancen von Menschen mit Migrationserfahrung schrittweise zu erhöhen.

Bundesverband russischsprachiger Eltern

Insbesondere seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine befindet sich die Migrationsgesellschaft in Deutschland in einem starken Wandel. Russlands Krieg gegen die Ukraine basiert teilweise auf imperialen und kolonialen Vorstellungen, die auf einer Idee globaler Herrschaft oder einer sogenannten „Russischen Welt“ beruhen. Der Bundesverband russischsprachiger Eltern (BVRE) zeigt in seinem Beitrag, dass in Deutschland unter Ausnutzung von Krisen von russischer Seite versucht wird, die Gemeinschaft der Russischsprachigen in Deutschland zu schwächen und zu spalten. Darum präsentiert der BVRE e.V. in seinem Beitrag neue Formate für die Dekolonisierungsdebatte der russischsprachigen Zivilgesellschaft in Deutschland.

Perspektivwechsel, Wissenstransfer und Synergien

Die Publikation zeigt insgesamt, wie das Kompetenznetzwerk in den letzten Jahren Strukturen und Wissensräume geschaffen hat, die den Wandel der Migrationsgesellschaft begleiten und erklären. Diese Wissensräume sind durch steten Austausch untereinander entstanden und werden in den einzelnen Beiträgen mit den Begriffen Perspektivwechsel, Wissenstransfer und Synergien beschrieben.

Die Publikation steht auf der Homepage des Kompetenznetzwerkes zum Download bereit.

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Über den Autor

Dennis R.

Dennis R. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V.

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