Heute feiert der Film „Der vermessene Mensch“ des Regisseurs Lars Kraume seine Europapremiere auf der Berlinale. Auch die historische Figur des Friedrich Maharero kommt darin vor. Ich frage mich: Wer war dieser Friedrich oder auch Frederick Maharero?
Die Familie Maharero
Friedrich Maharero ist 1875 geboren und entstammt einer Familie von traditionellen Führern der Herero, einer Bevölkerungsgruppe auf dem Gebiet des heutigen Namibia. Sein Vater ist Samuel Maharero, der zunächst mit den Deutschen, die ab 1884 die Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ errichteten, zusammenarbeitete, dann aber Widerstand gegen die immer stärker werdende Unterdrückung durch die deutschen Kolonisatoren leistete.
Nach Berlin
Von Friedrich Maharero wissen wir bis zu seinem 22. Lebensjahr wenig. Dann aber kam er für mehrere Monate im Zuge der Berliner Kolonialausstellung nach Berlin. Dies war eine durch und durch rassistische Veranstaltung im Treptower Park. Leicht bekleidet und in nachgebauten afrikanischen Dörfern sollten Afrikaner*innen aus den Kolonien dort das Alltagsleben in Afrika darstellen. Und so als Anschauungsobjekte die deutsche Bevölkerung für den Kolonialismus gewinnen und die Neugierde der Besucher*innen befriedigen. Außerdem wurden sie von Ärzten und Ethnologen für „rassenkundliche Forschungen“ vermessen und missbraucht. Genau dort setzt der Film „Der vermessene Mensch“ an, der zeigt, wie ein junger Berliner Ethnologe bei diesen rassistischen und pseudowissenschaftlichen Vermessungen die Übersetzerin der Gruppe um Friedrich Maharero kennenlernt.
Anzug statt Gewand
Von Friedrich Maharero wissen wir, dass er sich dem rassistischen Kolonialzirkus im Treptower Park ein Stück weit entzog, in dem er dort nicht im traditionellen Gewand, sondern im Anzug auftrat. Er sah sich nicht in der Rolle eines Ausstellungsstückes in einer Art Menschenzoo, sondern als Diplomat, der versuchte, mit den Kolonialmächten zu verhandeln, um Verbesserungen für sein Volk zu bewirken.
Beim Kaiser
Es gelingt ihm, gemeinsam mit anderen afrikanischen Gruppenführern eine Audienz bei Kaiser Wilhelm II. zu erhalten. Friedrich Maharero spürt, dass es dem Kaiser und den übrigen Kolonialherren nicht um Verhandlungen geht, sondern kommt zu dem Schluss:
Ich wurde dem Kaiser vorgeführt, da er seine schwarzen Untertanen noch nicht kennengelernt hatte.
DHM
Kolonialkrieg
Zurück in Afrika, spitzt sich die Lage der Herero und Nama in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika immer mehr zu. Eine im gesamten südlichen Afrika wütende Rinderpest vernichtete 1897 die ökonomische Lebensgrundlage der Herero und führte dazu, dass viele von ihnen für deutsche Farmbesitzer und Kolonialbeamte arbeiten mussten und dadurch die Ungerechtigkeit und Härte des deutschen Kolonialsystems immer stärker spürten. Wirtschaftliche Ausbeutung und Betrug sowie Vergewaltigungen afrikanischer Frauen und Mädchen durch deutsche Kolonisten ließen die Situation schließlich eskalieren und führten 1903 zum Krieg der Herero und Nama gegen die deutsche Kolonialmacht. Samuel Maharero, Friedrichs Vater, konnte anfangs große militärische Erfolge erzielen. Dann aber verstärkten die Deutschen ihre Truppen und mit General Lothar von Trotha kam ein Oberbefehlshaber, der deutlich rücksichtsloser war als sein Vorgänger Theodor Leutwein.
Vernichtungskrieg
Mit der Schlacht am Waterberg im August 1904 begann die rücksichtslose Vernichtung der Herero und Nama, die von den Deutschen Kolonialtruppen in die Wüste getrieben wurden und zu Zehntausenden dort verdursteten. Samuel und Friedrich Maharero gelang es, durch die Wüste ins heutige Botswana zu entkommen, aber etwa 50.000 bis 100.000 Herero und Nama fielen diesem ersten Genozid des 20. Jahrhunderts zum Opfer. Zum ersten Mal taucht auch der Begriff „Konzentrationslager“ auf, die von den Deutschen errichtet wurden, um Herero und Nama, darunter auch viele Frauen und Kinder, für ihren Widerstand zu bestrafen und zur Zwangsarbeit heranzuziehen.
Weiterkämpfen
Bis 1907 führte Friedrich Maharero weiter einen Guerilla-Krieg gegen die deutsche Kolonialmacht. Auch im Ersten Weltkrieg kämpfte er gegen die Deutschen auf der Seite der aus vier britischen Kolonien entstandenen Afrikanischen Union.
Nachfolge
Nach dem Tod seines Vaters 1923 wurde Friedrich sein Nachfolger. Er lebte bis 1952 und wurde wie sein Vater in Okahandja im heutigen Namibia begraben.
Klare Worte
1947 interviewte der anglikanische Geistliche Michael Scott Friedrich Maharero. Im Interview findet Maharero deutliche Worte zum wirken der ehemaligen deutschen Kolonialmacht:
Die Deutschen haben uns bekämpft und uns unser Land weggenommen. Dies ist der Grund, warum sie nichts Gutes in uns sehen wollen. Sie bekehrten uns zum Christentum, aber wollten uns keine weitere Ausbildung geben oder uns dabei helfen, voranzukommen.
DHM
Titelfoto: Gedenktafel für gefallene Hererokämpfer am Waterberg. Auch Friedrich Maherero nahm an der Schlacht teil, überlebte aber. Foto: wikimedia