Desinformationen bedrohen die Demokratie und das Zusammenleben in der Migrationsgesellschaft. Besonders häufig kursieren Fehlinformationen in Bezug auf migrationspolitische Themen. Diese verunsichern Menschen, spalten die Gesellschaft und kreieren Feindbilder. Die Neuen deutschen Medienmacher*innen – ein Netzwerk aus Journalistinnen und Journalisten mit und ohne Migrationsgeschichte – hat eine neue Publikation zum „Feindbild Migration“ herausgegeben. Darin werden zehn Narrative, die auf Falschinformationen über Migration basieren, zusammengefasst und mit Fakten widerlegt. Diese sind drei Feindbildern zugeordnet, die bei migrationsfeindlichen Narrativen im Fokus stehen: Migrantinnen und Migranten, Medien und Regierungsparteien. Im Folgenden wird jeweils ein Narrativ der genannten Feindbilder und die entsprechende Gegenargumentation dargestellt.
„Feindbild Migrantinnen und Migranten“
Ein verbreitetes migrationsfeindliches Narrativ, ist die Behauptung, dass Geflüchtete Wohnungsnot verursachen und für einen Mangel an Sozialwohnungen in Deutschland verantwortlich seien. Es wird angenommen, dass Geflüchtete seit 2015 sämtliche Sozialwohnungen beanspruchen würden, da sie nicht erwerbstätig seien und nicht über ein ausreichendes Einkommen verfügen würden, um eine Mietwohnung zu finanzieren. Demgegenüber argumentieren die Neuen deutschen Medienmacher*innen, dass „Belege dafür [fehlen], dass Menschen mit Einwanderungsgeschichte, insbesondere Geflüchtete, der Hauptgrund für Wohnungsmangel in Deutschland sind“ (S. 17). Zudem liegen keine konkreten Zahlen darüber vor, wie viele Geflüchtete in Sozialwohnungen leben, weshalb die Behauptungen in diesem Kontext unbelegt sind. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist außerdem nicht erst seit dem Anstieg der Anzahl Geflüchteter ein Problem, sondern betrifft Menschen mit geringem Einkommen unabhängig von ihrer Herkunft. Die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt verstärkt sich durch Einwanderung zwar, allerdings lässt das laut den Autorinnen und Autoren keine ausschließliche Begründung zu.
„Feindbild Medien“
In Bezug auf die Medien als Feindbild ist das Narrativ verbreitet, dass etablierte Medien nur staatlich genehmigte Meinungen abbilden und eine bestimmte Agenda des Staates verfolgen würden. Demnach wird behauptet, dass insbesondere der öffentlich-rechtliche Rundfunk kritische Diskussionen zum Thema Migration verhindern, und politischen und gesellschaftlichen Akteuren mit „alternativen Ansichten“ zu wenig Raum bieten würde. Die Neuen deutschen Medienmacher*innen argumentieren demgegenüber, dass „keine nachweisbaren Belege dafür [vorliegen], dass etablierte Medien, darunter führende Medienkanäle sowie der öffentlich-rechtliche Rundfunk, ausschließlich zugunsten der Bundesregierung berichten“ (S. 31). Zudem unterliegen Medien in Deutschland keiner staatlichen Zäsur und bilden dementsprechend ein breites Spektrum an Meinungen und Themen ab. Für die Einhaltung der Meinungsvielfalt sorgt außerdem der jeweilige Rundfunkrat, der den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kontrolliert. Die Meinungs- und Pressefreiheit sind in Artikel 5 des Grundgesetzes verankert und dadurch vor staatlicher Zensur geschützt.
„Feindbild Regierungsparteien“
Ein Narrativ, das sich auf Regierungsparteien als Feindbild bezieht, beinhaltet die Vorstellung, dass Wahlen lediglich ein Instrument seien, das der Bevölkerung ein Gefühl von politischer Teilhabe vortäuscht. Es wird angenommen, dass die politischen Entscheidungen bereits im Vorfeld feststünden, und Wahlen daher unwirksam seien. Zitate, die aus dem Kontext gerissen und selektiv verwendet werden, dienen vermeintlich als Belege dafür, „dass dieselbe Politik verfolgt wird, egal welche der bisherigen Regierungsparteien die Regierungsgewalt innehat“ (S. 48). Die Gegenargumente der Neuen deutschen Medienmacher*innen zeigen, dass es für die Behauptung von Schein-Wahlen keinerlei Belege gibt. Zudem bezeichnen sie die Annahme, dass Wahlen keine Veränderungen bewirken, als unzutreffend. Insbesondere in Wahlen manifestiert sich die unterschiedliche Schwerpunktsetzung der Parteien, die die politische Führung übernehmen können, und die sich auch in politischen Maßnahmen widerspiegelt.
Die Folgen von Fehlinformationen
Die analysierten Narrative zeigen exemplarisch, dass Fehl- und Desinformationen die Grundpfeiler der Demokratie angreifen. Dies betrifft insbesondere die freie, selbstbestimmte Meinungsbildung auf der Basis frei zugänglicher Informationen. Das mangelnde Vertrauen in Medien, Wissenschaft und Regierungsbehörden erschwert zudem die Unterscheidung zwischen Fakten und Fehlinformationen. Auch der öffentliche Diskurs wird durch den zunehmenden Einfluss von Desinformationen beeinflusst und verstärkt von emotionaler Rhetorik anstelle von faktenbasierten Argumenten geleitet. Für die freie Meinungsbildung in der Demokratie und das Zusammenleben in der Migrationsgesellschaft sind verlässliche Informationen daher unabdingbar.
Die Publikation „Feindbild Migration. Falschinformationen, die unsere Einwanderungsgesellschaft bedrohen“ kann auf der Seite der Neuen deutschen Medienmacher*innen kostenlos als pdf heruntergeladen werden.
Titelbild: Cover der Publikation "Feindbild Migration. Falschinformtionen, die unsere Einwanderungsgesellschaft bedrohen"