Nazi-Dokumente abschreiben – das klingt zunächst einmal ziemlich schräg. Doch genau das ist nötig, um die rund 30 Millionen Dokumente der Arolsen Archives so vielen Menschen wie möglich zugänglich zu machen – als wichtige Wissensquelle aber auch als digitalen Gedenkort.

Weil wir Unterstützung bei dieser riesigen Aufgabe brauchen, haben die Arolsen Archives das Projekt #everynamecounts gestartet. Dieses beschränkt sich nicht nur auf Deutschland: Die Opfer des Nationalsozialismus sowie ihre Angehörigen sind heute in der ganzen Welt verstreut. Einige haben über die Jahrzehnte ihre Heimat verlassen und sind emigriert. Um diese Schicksale zu ergründen, braucht es ein internationales Netzwerk.

Worum geht es bei #everynamecounts?

Die Arolsen Archives bewahren Unterlagen zu Opfern des Holocaust und des Porajmos, zu Häftlingen der Konzentrationslager, zu ausländischen Zwangsarbeiter*innen und Überlebenden. Es sind Zeugnisse der Verfolgung, Verschleppung, Ermordung – aber auch des Überlebens und des Neuanfangs. Bis heute finden Angehörige von NS-Verfolgten hier Antworten auf Fragen, die ihre Familien seit Jahrzehnten umtreiben.

Die Personalkarte eines Häftlings. Foto: Johanna Groß, Quelle: Arolsen Archives.


Die meisten Papiere wurden bereits gescannt und im Online-Archiv der Arolsen Archives veröffentlicht. Bei #everynamecounts könnt ihr dabei helfen, alle Namen auf den Dokumenten auffindbar zu machen. Hierfür braucht ihr nur einen PC und eine Internetverbindung!

Die Herausforderung bei #everynamecounts

Ein digitalisiertes Dokument ist zunächst einmal nur ein Bild. Damit es online gefunden werden kann, muss es mit entsprechenden Begriffen verknüpft werden – ähnlich wie beim Taggen. Auf der Crowdsourcing-Plattform Zooniverse könnt ihr euch Scans von Originaldokumenten – aktuell zum Beispiel Häftlingspersonalkarten aus Buchenwald – ansehen und Daten in vorgegebene Felder eintragen.


Besonders wichtig sind natürlich Name, Geburtsdatum und Geburtsort. Damit lassen sich Personen meist eindeutig identifizieren. Auf den Dokumenten finden sich aber noch viele weitere Informationen die dabei helfen, Verfolgungswege zu rekonstruieren und auch Leerstellen zu füllen.


Erstmals erfassen wir zum Beispiel auch die Namen der Angehörigen, die häufig ebenfalls NS-Verfolgte waren. Bis zum Kriegsende vernichteten die Nationalsozialisten eine Menge Unterlagen, die ihre Verbrechen hätten belegen können. Viele ihrer Morde wurden auch gar nicht erst dokumentiert. Es kann also sein, dass die Namen der Angehörigen sonst nirgendwo verzeichnet sind.

Keine leichte Aufgabe – aber ihr seid nicht allein!


Im Projekt arbeiten viele tausend Freiwillige aus der ganzen Welt mit. Die digitale Einführung sowie das Projekt stehen in fünf Sprachen zur Verfügung: Englisch, Deutsch, Französisch, Polnisch und Spanisch. Wer unsicher ist, bekommt ausführliche Erklärungen zur korrekten Eingabe in bebilderten Hilfetexten. Eine digitale Einführung bietet zusätzliches Hintergrundwissen und die Möglichkeit, das Erfassen von Daten vorab mit entsprechendem Feedback auszutesten. Wenn trotzdem mal ein Fehler passiert, ist das kein Drama: Bevor die Daten in das Online-Archiv geladen werden, durchlaufen sie einen mehrstufigen Qualitätscheck.

Jugendliche unterstützen #EveryNameCounts. Fotograf: Nikolai Marcinowski, Quelle: Arolsen Archives.


Die Arbeit mit den Originaldokumenten ist ein sehr direkter Weg, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und kann manchmal ganz schön heftig sein! Im Forum könnt ihr euch dazu austauschen und Fragen mit den anderen Freiwilligen oder den Mitarbeiter*innen der Arolsen Archives diskutieren. Viele Freiwillige nutzen außerdem ihre Sprach- und Ortskenntnisse um zum Teil ganze Biographien einzelner Personen zu recherchieren und mit der Community zu teilen. So bleiben immer die Menschen hinter den Dokumenten im Blick.

Macht mit!


Von vielen Menschen, die von den Nationalsozialisten umgebracht wurden, existiert nichts – kein Grab, keine Inschrift. Nur ein Name auf einem Dokument. Es ist unsere Aufgabe dazu beizutragen, dass diese Menschen nicht vergessen werden!
Baut mit uns ein digitales Denkmal zur Erinnerung an die NS-Opfer setzt ein Zeichen für Respekt, Vielfalt und Solidarität.


http://aroa.to/machmit

Die Autorin

Christa Seidenstücker ist Mitarbeiterin der Arolsen Archives. Sie ist Teil des Teams, das das Crowdsourcing-Projekt #everynamecounts entwickelt hat und begleitet.