„Der freie Platz“ ist eine Comicreportage über den FC Lampedusa. Entstanden ist der Comic
2017 im Rahmen von „Alphabet des Ankommens“. In dem Projekt wurden 12 Comicreportagen
über den Neuanfang in einem fremden Land von Journalist_innen und Zeichner_innen aus 10
Ländern gestaltet.

Autor Augusto Paim und Comiczeichner Marlin van Soest begleiteten für den Comic „Der freie Platz“ den FC Lampedusa aus Hamburg auf der Auswärtsfahrt nach Neumünster. Neben dem Auswärtsspiel erzählt der Comic auch von den individuellen Migrationsgeschichten der Spieler und den Erfahrungen im Alltag mit Rassismus. Auf der Zugfahrt (Seite 2 obere Bildreihe) werden beispielsweise die Reaktionen der anderen Fahrgäste auf die Spieler dargestellt. Niemand der weiß gelesenen Personen schaut hoch, alle sind scheinbar ganz vertieft. Um das Desinteresse besser zu symbolisieren, stellen die Menschen im 3. Bild in der Reihe die Füße auf die gegenüberliegenden Sitze, damit sich auch ja keine Person aus der Gruppe dort hinsetzt.

Der Comic hebt zudem das Gemeinschaftsgefühl und den Zusammenhalt der ständig fluktuierenden Gruppe hervor. Denn nicht selten werden Spieler abgeschoben und müssen deshalb das Land und das Team verlassen.

Das Autorenteam: Augusto Paim und Marlin van Soest

Augusto Paim ist Journalist, Reporter und Übersetzer. Seinen Abschluss machte er an der Federal University of Santa Maria UFSM (Brasilien), danach absolvierte er seinen Master in Literatur/Kreativem Schreiben an der PUCRS (Brasilien). Besonders interessiert sich Augusto Paim für Comicreportagen, dazu schrieb er bereits das gleichnamige Buch „Die Comicreportage“. Darin beschreibt er die ungewöhnliche Kombination von klassischen Comics mit einer gewöhnlichen journalistischen Reportage. Genau diese Darstellungsform wählte Augusto Paim in Zusammenarbeit mit Marlin van Soest, um in „Der freie Platz“ die Geschichte der Spieler des FC Lampedusa dazustellen.

Marlin van Soest studierte Illustration an der HAW Hamburg und arbeitet heute freiberuflich als Illustrator. Zusätzlich gibt er Workshops und unterrichtet das Fach Comic. Abseits der klassischen Illustration arbeitet er zudem mit Knetmasse – sowohl in der Illustration als auch Animation.

VIELE NATONEN – EIN VEREIN

Die Geschichte des FC Lampedusa

Im März 2013 gründete sich die Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ von rund 300 Geflüchteten. Diese setzten sich für das Bleiberecht in Deutschland ein, nachdem sie vor den Folgen des Bürgerkriegs und den Ereignissen in Libyen auf die italienische Insel Lampedusa flohen. In
Italien habe die meisten bereits ihr Asylverfahren abgeschlossen und lehnten deshalb ein erneutes Verfahren in Deutschland ab. Demzufolge beschloss der Hamburger Senat die Abschiebung der Flüchtlinge zurück nach Italien.

Jedoch wollte nicht jeder in Hamburg die Gruppe loswerden. Im Gegenteil, viele setzen sich für
das Aufenthaltsrecht und Arbeitserlaubnis der Lampedusa ein. Ganz vorne mit dabei die St.
Pauli Kirche unter der Leitung von Pastor Sieghard Wilm, die neben Unterkünften auch beim
Organisieren von Protesten und Veranstaltungen unterstützte, die auf die Situation der
Geflüchteten aufmerksam machen sollten. Auch aus den Reihen des FC St. Pauli erhielt die Gruppe Unterstützung, unter anderem durch informelle Fußballspiele, die für sie veranstaltet wurden.

Aus den im Rahmen der Proteste organisierten Fußballspiele gründete sich dann 2014 der FC Lampedusa Hamburg mit den Spielern der „Lampedusa in Hamburg“ Gruppe. Seit März 2015 ist der Verein offen für alle Personen mit einer Flucht- oder Migrationsgeschichte.

Die Herrenfußball-Abteilung des FC St. Pauli (FCSP) nahm 2016 den FC Lampedusa auf. Trainiert wird der Fußball Club unüblicherweise von fünf Frauen vom FCSP, gecoacht wird ehrenamtlich. Der FCSP stellt jedoch nicht nur die Trainerinnen sondert spendet auch Bälle, Trikots und aussortierte Schuhe der Profis. Neben dem bekannten FCSP half in der Vergangenheit auch der FC Hamburg Berg e.V., indem sie ihren Trainingsplatz zur Verfügung stellten.

Das Fußballprojekt steht für Equality, Geschwisterlichkeit, Teilhabe und Inklusion. Auf dem Platz des FC Lampedusa St. Pauli zählt nur die Liebe zum Fußball, nicht woher man kam oder welche Papiere man hat oder nicht. Einzige Voraussetzung: Die Spieler müssen mindestens 16 Jahre alt sein. Im FC Lampedusa spielen rund 40 aktive Spieler, jedoch muss mindestens ein Spieler pro Monat den Verein gezwungenermaßen verlassen.

Migrationsgeschichten im Fußball

Die Verknüpfung von Ein- und Auswanderungsgeschichte mit Fußball in „Der freie Platz“ ist sehr geschickt gemacht. Fußball ist ein Thema, welches immer eine große Masse erreicht hat, erreicht und erreichen wird. Zudem ist die gewählte Darstellung von Augusto Paim und Marlin van Soest auf den ersten Blick nur ein Ablauf des Auswärtsspiels, inwiefern die Leser*innen sich auf die Migrationsgeschichte einlassen und Details entdecken oder selbst weiter über den FC Lampedusa recherchieren, bleibt jedem selbst überlassen.

Quellen:
https://alphabetdesankommens.de/derfreieplatz/
https://www.fcstpauli-afm.de/fan-und-vereinskultur/weit-mehr-als-nur-fussball-fc-lampedusa-sankt-pauli-here-to-play--936.htm
https://www.marlinvansoest.de/
https://www.friedrich-verlag.de/klett-kallmeyer-fachbuecher/autoren/vansoest-marlin/
https://www.fcstpauli.com/kiezhelden/spendentopf/aktuell-geforderte-projekte/lampedusa/
https://www.facebook.com/FCLampedusa/about_details
https://siebenaufeinenstrich.de/augusto-paim-im-interview/
Titelbild: Ausschnitt aus dem Comic „Der freie Platz“ von Augusto Paim und Marlin van Soest

Über den Autor

Jette Franke

macht seit September 2023 einen Bundesfreiwilligendienst (Politik) in der Geschäftsstelle von Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. in Berlin.

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