Was ist der Tag der offenen Moschee?
Seit 1997 ist in Deutschland der 3. Oktober nicht nur Tag der deutschen Einheit, es findet auch der Tag der offenen Moschee statt. Eine Initiative, an der über tausend Moscheen in Deutschland beteiligt sind.
1997 war das Europäische Jahr gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Das spezielle Datum der Veranstaltung, dem Tag der Deutschen Einheit, wurde initial vom Zentralrat der Muslime in Deutschland gewählt und soll das Streben nach einer religionsübergreifenden Verständigung unterstreichen.
Die beteiligten Moscheegemeinden öffnen ihre Türen für nichtmuslimischen Menschen und demonstrieren gelebte muslimische Pluralität. Zwei Tage lang können Interessierte in die vielfältige Welt der muslimischen Kultur eintauchen. Es gibt Führungen und Diskussionen, Raum für Begegnung und Dialog. Gebäck und Kultur inbegriffen.
Leitgedanken
Jedes Jahr stellt der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM), der Spitzenverband der vier größten muslimischen Organisationen in Deutschland, ein neues Motto. Diese Motto steht auch für nicht-Islam-bezogene, religions- und länderübergreifende Themen.
In den letzten Jahren gab es u.a. Leitgedanken wie „Umweltschutz – Moscheen setzen sich ein“ (2013), „Gute Nachbarschaft – Bessere Gesellschaft“ (2017), „Glaube in außergewöhnlichen Zeiten“ (2020). In diesem Jahr lautet das Motto „Das Gebet – besinnt, belebt, verbindet“. Auf der ganzen Welt beten Muslime fünfmal täglich, in Besinnung auf ihren Gott, Allah, aber auch, um im Glauben miteinander verbunden zu sein.
Themen der letzten Jahre waren:
- 2007: Moscheen – Brücken für eine gemeinsame Zukunft
- 2008: Moscheen – Orte der Besinnung und des Feierns
- 2009: Moscheen – Ein fester Teil der Gesellschaft / 60 Jahre Bundesrepublik und ihre Muslime
- 2010: Der Koran – 1400 Jahre, aktuell und mitten im Leben
- 2011: Muhammad – Prophet der Barmherzigkeit
- 2012: Islamische Kunst und Kultur
- 2013: Umweltschutz – Moscheen setzen sich ein
- 2014: Soziale Verantwortung – Muslime für die Gesellschaft
- 2015: Junge Muslime in Deutschland – Motiviert, Engagiert, Aktiv
- 2016: Hidschra – Migration als Herausforderung und Chance
- 2017: Gute Nachbarschaft – Bessere Gesellschaft
- 2018: Religiosität – individuell, natürlich, normal
- 2019: Menschen machen Heimat/en
- 2020: Glaube in außergewöhnlichen Zeiten
- 2021: 25 Jahre TOM – Moscheen gestern und heute
- 2022: Knappe Ressourcen – große Verantwortung
Handbuch
Zur Unterstützung der (ggf. neuen) Veranstalter gibt es einen Ratgeber für den Tag der offenen Moschee als offen zugängliche pdf. Auch für den nicht-muslimischen Besucher lohnt sich ein Blick hinein. Das Handbuch enthält Informationen zu Organisation, Planung und Ablauf eines Tages der offenen Moschee, umreißt nochmal prinzipielle Ziele der Veranstaltung und gibt Tipps zu Rahmenbedingungen wie Empfang der Gäste, Räumlichkeiten, Pressearbeit und Dokumentation. Stichwort Verpflegung: „Einer der Höhepunkte solcher Veranstaltungen sind wohl die kulinarischen Spezialitäten, die es auf jeden Fall geben sollte.“ Wer würde hier widersprechen.
Gegenstimmen zum Tag der offenen Moschee
Der Tage der offenen Moschee stößt nicht ausschließlich auf uneingeschränkt positive Resonanz. In Auseinandersetzung mit der Idee dieses Ereignisses sollten auch die Beweggründe der Gegenstimmen gehört werden. Besonders nachdrücklich ist dabei die Stimme von Seyran Ates zu hören.
Seyran Ates, Rechtsanwältin und Imamin, gründete 2017 eine liberale Moschee in Berlin, die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee. Ates kritisiert offen den konservativen Islam.
In einem Interview mit dem Deutschlandfunk 2018 bezeichnete sie Initiative Tag der offenen Moschee nicht nur als falsch, sondern kontraproduktiv. Sie könne sie Aussage der Veranstaltung nicht befürworten.
„Ich bin als Berlinerin aufgewachsen, ich lebe seit 1969 in Berlin, deshalb ist der Tag der deutschen Einheit, deshalb ist der Fall der Mauer für mich etwas ganz, ganz Besonderes. Ich hab 1989 wirklich wochen-, monatelang sehr viel geweint und ich habe sehr, sehr viele Freundinnen und Freunde aus dem Osten, das heißt, dieser Tag ist für mich als Tag der deutschen Einheit wichtig, nicht als Tag der offenen Moscheen. Unsere Moschee bleibt an diesem Tag zu, weil wir jeden Tag, vor allem jeden Freitag Tag der offenen Moschee haben.“
Seyran Ates
An diesem wichtigen Tag den Fokus auf die Themen Islam und Moschee zu richten, sei arrogant und respektlos. Dies unterfüttere eine „islamische Parallelwelt und -gesellschaft, die sich fernab der deutschen Einheit bewegt“, so Ates im Interview.
In einem Gespräch mit der Redaktion von Domradio zum 03.10.2019 antwortet Seyran Ates auf die Frage, was Sie bzw. ihre Moschee für diesen Tag plane: „Gar nichts, unsere Moschee bleibt an diesem Tag wieder demonstrativ geschlossen. Als Zeichen gegen die Vereinnahmung des Nationalfeiertags durch die konservativen Islamverbände für ihre Zwecke.“
Die Imamin plädiert dafür, dass Moscheen mindestens an jedem Freitag und eigentlich immer einen Tag der offenen Tür haben sollten. „Moscheen sind offene Moscheen, wie die offene Kirche auch.“
Titelbild: Verzierte Decke einer Moschee. Bild von Abdullah Shakoor auf Pixabay