Wusstet ihr, dass in Berlin schon vor etwa einhundert Jahren viele Menschen aus dem Osmanischen Reich bzw. später der Türkei lebten? Und dass ein großer Teil dieser Menschen jüdisch war? Die Gründe, das Osmanische Reich bzw. die Republik Türkei zu verlassen, waren sehr vielfältig. So gab es Handelsbeziehungen, die türkischen Jüd*innen eine Existenzgrundlage in Europa, z.B. im Teppich- oder im Tabakgeschäft, ermöglichten. Ein Grund für die Auswanderung war aber auch das nationalistische und teilweise antijüdische Klima in der Türkei.

Anfang der 1930er Jahre lebten in Berlin über 500 türkische Jüd*innen. Sie stellten damit mehr als die Hälfte der hier lebenden türkischen Staatsangehörigen dar. Berlin entwickelte sich zum Zentrum jüdisch-türkischen Lebens in Deutschland: Der Israelitisch-Sephardische Verein zu Berlin e.V. unterhielt ab 1915 auch eine Schule und wurde Treffpunkt für den Zusammenhalt der Gemeinde.

Die seit 1933 von den Nationalsozialisten schrittweise umgesetzten Verfolgungsmaßnahmen trafen auch die in Berlin lebenden türkischen Jüd*innen. Besonders schutzlos wurden diejenigen, denen die Türkei im Laufe der folgenden Jahre ihre Staatsbürgerschaft entzog.

Am 26. Oktober 1943 erfolgte auf Anordnung des Reichsicherheitshauptamts die Deportation von zwölf türkisch-jüdischen Frauen und drei Kindern aus Berlin in das Konzentrationslager Ravensbrück. Parallel wurden neun türkisch-jüdische Männer – überwiegend Angehörige der deportierten Frauen – in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Fünf der Männer wurden dort ermordet. Zehn der verhafteten Frauen und Kinder nahmen im März 1945 an einem türkisch-deutschen Zivilgefangenenaustausch teil und gelangten in die Türkei.

Über die Lebenswege der verhafteten Frauen, Kinder und Männer ist insgesamt wenig bekannt, meist nur ihre Namen und ihre Geburtsdaten, teilweise ihre Todestage. Zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung besaßen sie noch die türkische Staatsbürgerschaft. Die Türkei hätte zu diesem Zeitpunkt ihre Freilassung fordern können.

Ihre Geschichten erzählen!

Gemeinsam mit Jugendgruppen aus Brandenburg, Berlin, Thüringen und Istanbul wollen wir den Lebenswegen dieser 24 Frauen, Männer und Kinder nachgehen. Wir wissen nur wenig darüber, wie sie gelebt haben. Was war ihnen wichtig und welche Wege sind sie gegangen? Leben noch einige von ihnen oder gibt es Nachfahren, die etwas erzählen können?

Dadurch möchten wir dazu beitragen, die marginalisierten Geschichten türkischer Jüd*innen in Europa für uns heute wieder sichtbar und zum Bestandteil europäischer Erinnerung werden zu lassen. Denn ein großer Teil der in Europa lebenden türkischen Jüd*innen wurde Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung und ermordet, ihre Biografien blieben bis heute größtenteils unerforscht.

Mitmachen

Ihr wollt mitmachen? Meldet euch bei 18. April bei uns! Alle Infos und die Einladung zur Teilnahme findet ihr auf der Website: www.annefrank.de/case-not-closed

Das Projekt »Case Not Closed« ist eine Kooperation des Anne Frank Zentrums (Berlin) mit der Türkischen Gemeinde Deutschland und SEHAK (Istanbul).

Über den Autor

Ilanga Mwaungulu

Ilanga Mwaungulu ist Referentin im Projekt "Case Not Closed" beim ANNE FRANK ZENTRUM in Berlin.

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