Wer gehört zur Elite in Deutschland?
Oft kritisieren wir andere mit dem Hinweis auf „fake-news“. Doch welche Fakten liegen überhaupt vor? Bislang wissen wir wenig darüber, welche Bevölkerungsgruppen in den Führungs- und Elitepositionen der Bundesrepublik vertreten sind. Politische Entscheidungen brauchen eine faktische Grundlage. Ohne diese ist Vieles Herumstochern im Nebel. Deshalb ist es gut und wichtig, dass die Universität Leipzig und das Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung eine neue Studie vorlegt haben.
Analysiert wurden mehr als 2.700 Menschen, die Führungspositionen in Deutschland innehaben. Dazu zählen wichtige Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft, Gewerkschaften und Arbeitsgeberverbänden. Außerdem wichtige Vertreter*innen aus Justiz, Militär, Sicherheit, Medien, Kultur, Zivilgesellschaft und Religion. In der Auswertung wird deutlich: Menschen mit Migrationshintergrund sind mit 9,2 Prozent seltener in Elitepositionen vertreten, als es ihrem Anteil von 26 Prozent an der Bevölkerung entspräche.
Große Unterschiede zwischen den unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen
Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund im Bereich Sicherheit beträgt Null. Im Bereich Religion sind es 25,9 Prozent. Dies zeigt das große Spektrum von völliger Unterrepräsentation bis hin zu Repräsentation entsprechend des Bevölkerungsanteils.
In manchen Bereichen tut sich durchaus etwas: Kultur, Medien, Wirtschaft, Zivilgesellschaft. Hier sind Menschen mit Migrationshintergrund zwar immer noch nicht entsprechend Ihres Bevölkerungsanteils in den Elitepositionen vertreten. Aber doch in deutlicher Anzahl.
Die Unterrepräsentation wird stärker, je staatsnäher die Führungstätigkeit ist. Daran ändern auch Wahlen kaum etwas. Nicht nur in den höchsten Ämter in der Europäischen Union oder im Bund – auch unter den Oberbürgermeister*innen von Großstädten finden sich nur wenige Menschen mit Migrationshintergrund.
Die Studie macht die großen Unterschiede zwischen den unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen deutlich. Dies ist ein wichtiger erster Schritt zu einem tieferen Verständnis. In einem zweiten Schritt können aus dieser Basis zielgerichtete Maßnahmen für die jeweiligen Bereiche abgeleitet werden.
Unterrepräsentation in Elitepositionen wird als strukturelles Problem wahrgenommen
Mit der Studie wurde auch eine repräsentative Bevölkerungsumfrage durchgeführt. Hier zeigt sich ein Problembewusstsein der Befragten. Diese geben nämlich deutlich zu verstehen, dass die Unterrepräsentation ihrer Auffassung nach nicht individuellen Faktoren, wie z.B. mangelnden Aufstiegswillen, zurückzuführen sind. Stattdessen wird Unterrepräsentation als strukturelles Problem wahrgenommen.
Mehr Daten und Problembewusstsein sind schon einmal eine gute Grundlage für alles Weitere. Doch ein Königsweg hin zu mehr Repräsentation zeichnet sich (noch) nicht ab, zumindest nach der Bevölkerungsumfrage. So befürworten nicht einmal 30 Prozent eine gesetzlich verankerte Quote. Immerhin 63,9 Prozent der Befragten halten Fördermaßnahmen geeigneter Personen mit Migrationshintergrund für ein geeignetes Instrument. Zugleich meint ein ähnlich hoher Anteil der Befragten, dass sich das Problem schon von allein mit der Zeit lösen würde. Diese uneinheitliche Bewertung mündet auch in das Fazit der Studie. Darin geht es um breiter angelegte Bemühungen, die Eliten in Deutschland vielfältiger zu gestalten. Spezielle Maßnahmen zur Steigerung der Repräsentation sollten ein Teil des Ganzen sein. So erhöhe sich die Akzeptanz in der Bevölkerung.
Ein Fun-fact zum Schluss: welcher Weg kann (zum jetzigen Zeitpunkt) in die wichtigsten Ämter der Republik führen? Offensichtlich ein Jurastudium. 29,2 Prozent aller in der Studie aufgeführten Führungspositionen wurden mit Juristinnen und Juristen besetzt. Augen auf bei der Studienwahl.