Wenn ich am Anhalter Bahnhof vorbeifahre und das alte Portal sehe, das auf dem Askanischen Platz steht und ins Leere führt, muss ich an den Zweiten Weltkrieg denken. Im Februar 1945 wurde die riesige Bahnhofshalle, zu der das Portal führte, schwer zerstört. Mein Schwiegervater erlebte mit vier Jahren an der Hand seiner Mutter den Angriff damals in der Nähe des Bahnhofes mit. Die Erinnerung daran verfolgt ihn bis heute.
Eine temporäre Ausstellung
Seit dem 12. Juni bis Ende Oktober steht hinter dem Portal auf dem Askanischen Platz die temporäre Freiluftausttellung ZU/FLUCHT. Sie erinnert daran, dass vom Anhalter Bahnhof aus zwischen 1933 und 1945 unzählige von den Nationalsozialisten Verfolgte abreisten, um Zuflucht im Exil zu suchen. Die Ausstellung stellt einige berühmte Geflüchtete aus dieser Zeit heraus, zum Beispiel die Schriftsteller Bertolt Brecht und Alfred Döblin, die Dichterin Mascha Kaleko, die Schachspielerin Sonja Graf.
Brücke zur Gegenwart
Die Ausstellung erzählt von den Flüchtenden damals, schlägt aber schnell eine Brücke zur Gegenwart. Und zu den Menschen, die heute nach Deutschland fliehen. Architekturstudent*innen der TU Berlin haben ehemalige Flüchtlings-Wohncontainer umgestaltet, sie dienen jetzt als Ausstellungsfläche, Bühne und Aussichtsturm. Ein Container informiert auch über die Ergebnisse eines Forschungsprojekts, in dem die Lebensumstände in zwei Flüchtlingscamps in Jordanien und an sechs Standorten in Berlin untersucht wurden. Und es finden regelmäßig Veranstaltungen auf dem Ausstellungsgelände statt.
Auf dem Weg zum Exilmuseum
Die Ausstellung hinterlässt einen bleibenden Eindruck, aber sie ist selbst vorläufig, eher ein Wegweiser als das Ziel. Denn an ihrem jetzigen Ort soll bis 2025 das Exilmuseum entstehen. Das alte Portal des Anhalter Bahnhofs soll in den Neubau, den ein dänisches Architekturbüro plant, integriert werden. Die Initiative zum Projekt Exilmuseum ging vom Berliner Kunsthändler Bernd Schultz und der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller aus. Auch der Vorstand von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. sprach sich schon 2017 für das Vorhaben aus.