11 – die Größe einer Fußballmannschaft.
So viele Schwarze Senator:innen hat es in den USA bis heute (Stand Februar 2022) gegeben.
Das sind nicht viele, bedenkt man, dass der US-Senat seit 1789 tagt. Im Senat sind alle Bundesstaaten durch jeweils zwei Senator:innen vertreten. Ihre Amtszeit beträgt sechs Jahre, alle zwei Jahre wird 1/3 des Senats neu gewählt.
233 Jahre, 11 Biografien. Von diesen ist uns sicher die von Barack Obama am gegenwärtigsten. Der 44. Präsident der Vereinigten Staaten war zuvor Senator von Illinois.
Doch heute wollen wir uns die Geschichte des ersten Schwarzen US-Senators ansehen. Denn am 25. Februar 1870 wurde Hiram Rhodes Revels zum Senator von Mississipi gewählt.
Hiram Rhodes Revels frühe Jahre
Hiram Rhodes Revels wurde 1827 in Fayetteville in North Carolina geboren. Seine Eltern waren freie Schwarze, deren Vorfahren aus Europa, Afrika und dem indigenen Stamm der Croatan (Lumbee) Ureinwohner stammten. Revels Vater arbeitete als Baptistenprediger.
Da Schwarze zu diesem Zeitpunkt in North Carolina nicht in offiziellen Stellen gebildet werden dürfen, erhält Revels seinen ersten Unterricht von einer Schwarzen Frau in der Nachbarschaft. Für ein paar Jahre arbeitete er als Barbier seines Bruders. Dann zog er zum Beech Grove Quaker Seminary Liberty, Indiana und später zum Darke County Seminary for black students, Ohio, um seine Ausbildung fortzusetzen. Beide Institute gehörten zu den ersten, die es Schwarzen ermöglichten, eine höhere Ausbildung abzuschließen.
Arbeit als Prediger und in der Bildung
Revels wurde 1845 Prediger der African Methodist Episcopal Church. Sein erstes Pastorat trat er vermutlich 1849 in Richmond, Indiana an. In den frühen 1850er Jahren heiratete er Phoebe A. Bass, mit der er sechs Töchter hatte. Über die nächsten Jahre hinweg predigte und lehrte Revels in Indiana, Illinois, Kansas, Kentucky und Tennessee. Sogar in Missouri, das freien Schwarzen die Niederlassung aus Angst vor Aufruhren zum Aufruhr verweigerte, trat er 1853 eine Stelle an.
Revels berichtete später, dass er stets vorsichtig gewesen und nie versucht habe Sklav:innen aufzustacheln. Als Konsequenz sei er selbst von Sklavenhalter:innen in Ruhe gelassen worden.
I sedulously refrained from doing anything that would incite slaves to run away from their masters. It being understood that my object was to preach the gospel to them, and improve their moral and spiritual condition even slave holders were tolerant of me.
Autobiography of Hiram Revels, Carter G. Woodson Collection, LC.
Trotz dieser Vorsicht wurde Revels 1854 wegen des Vorwurfs des Predigens vor einer Schwarzen Gemeinde verhaftet. Nach seiner Freilassung nahm er deshalb eine Stelle in einer presbyterianischen Kirche in Baltimore, Maryland an. Dort leitete er eine Schwarze Schule und besuchte währenddessen das Knox College in Galesburg. Zu dieser Zeit machte ihn das zu einem der wenigen Afro-Amerikaner, die über eine College-Bildung verfügen.
Der Bürgerkrieg und „Reconstruction“
1861 beteiligte sich Revels am Aufbau zweier Schwarzer Regimenter, die im Amerikanischen Bürgerkrieg für die Nordstaaten kämpften. Revels selbst diente als Kaplan der Unionsarmee.
Mit dem Sieg der Nordstaaten 1865 änderte sich für die schwarze Bevölkerung der (nun wieder) Vereinigten Staaten einiges. Die Sklaverei wurde abgeschafft und neue Bürgerrechte festgehalten. Bis zur tatsächlichen Gleichberechtigung der Schwarzen US-Bürger:innen sollte es noch mehrere Jahrzehnte dauern. Doch zumindest die Anfänge gehen auf die Zeit der „Reconstruction“ (Wiederaufbau, Neuaufbau; 1863-1877) zurück.
Für die Parteien, insbesondere die Republikaner, damals die Partei des Nordens, war es wichtig, die neue Wählerschaft für sich zu gewinnen. Schwarzen gebildeten Bürger:innen wie Revels, die eher die Ausnahme waren, kam dabei eine wichtige Rolle zu. Erst zögerlich, dann mit Eifer, brachte er sich in die lokale Politik ein. Seine gemäßigte und mitfühlende Art brachten ihm bald Unterstützer:innen unter Schwarzen und Weißen ein. 1869 gewann Revels einen Sitz im Senat des Staates Mississipi. Damit war er einer von 30 afroamerikanischen Gesetzesgebern des Staates.
Wahl in den Senat
Seine Wahl zum US-Senator erfolgte ein Jahr später. Mississipi hatte nach der Abspaltung von der Union seine Senatssitze nicht besetzt. Nun sollte ein schwarzer Abgeordneter bestimmt werden, um einen der Sitze zu füllen. Zustimmung gab es von allen Seiten: Schwarze Gesetzgeber waren sicher, durch die Wahl Vorurteile gegen sich abschwächen zu können. Demokraten stimmten zu, weil sie dachten, ein Schwarzer Senator würde dem Ruf der Republikaner schaden. Mit 85 zu 15 Stimmen wurde Revels als neuer Senator bestimmt.
Im Januar 1870 kam Revels in Washington an, doch konnte seinen Sitz erst im Februar einnehmen. Mississipi musste zuvor wieder in die Vereinigten Staaten aufgenommen werden.
Als die Republikaner versuchten, Revels zu vereidigen, stellten sich die Demokraten des Senats dagegen: Revels sei bis 1868 kein US-Bürger gewesen, habe also nicht die erforderlichen neun Jahre Staatsbürgerschaft, um Senator zu werden. Dabei bezogen sie sich auf das sogenannte Dred Scott Urteil, das besagte, kein Mensch afrikanischer Herkunft könne die amerikanische Staatsbürgerschaft haben. 1868 erst war durch den 14. Zusatzartikel der Verfassung allen in den USA geborenen Menschen die Staatsbürgerschaft zugestanden worden.
Die republikanischen Senatoren verteidigten Revels und wiesen u.a. daraufhin, er hätte bereits vor 1868 in Ohio gewählt, sei also ganz offensichtlich stets US-Bürger gewesen. Fundamentaler noch war das Argument, dass Dred Scott durch Bürgerkrieg und danach stattfindende Änderung an der Verfassung nichtig sei. Es sei unzulässig, die vorher geltenden Rechte überhaupt noch anzuwenden.
Hiram Rhodes Revels als Repräsentant der Schwarzen Amerikaner:innen
Zwei Tage dauerte die Debatte, die zahlreiche Zuschauer:innen von den Rängen aus verfolgten. Letztlich stimmte der Senat am 25. Februar 1870 mit 48 zu 8 Stimmen für einen Sitz von Revels. Er übernahm anschließend Aufgaben im Ausschuss für Bildung und Arbeit und im Ausschuss für den District of Columbia. Unabhängig von seinem Heimatstaat erhielt Revels zudem zahlreiche Anfragen Schwarzer Frauen und Männer aus allen Staaten.
In seiner ersten Rede vor dem Senat forderte er gleiche Rechte für Schwarze in den USA ein. Doch nicht in einem kämpferischen, sondern in einem versöhnlichen Ton. Es ginge ihm und den anderen Afroamerikaner:innen nicht um Vergeltung. Sondern nur darum, gleichberechtigt behandelt zu werden:
Mr. President, I maintain that the past record of my race is a true index of the feelings which today animate them. They bear toward their former masters no revengeful thoughts, no hatreds, no animosities. They aim not to elevate themselves by sacrificing one single interest of their white fellow-citizens.
https://www.senate.gov/artandhistory/history/resources/pdf/RevelsGeorgia.pdf
Tätigkeit nach dem Senat
Nur ein Jahr später war Revels Amtszeit turnusgemäß wieder um. Bereits 1874 entsandte Mississipi mit Blanche K. Bruce den zweiten Schwarzen Senator. Er blieb für eine volle Amtszeit.
Revels widmete sich wieder mehr der Bildung. Er war ab 1871 Präsident des Alcorn Agricultural and Mechanical College, der ersten Hochschule für Schwarze in Mississippi. Dort unterrichtete er u.a. Philosophie.
Dem Staat Mississipi blieb er dennoch treu. Bis zu seinem Ruhestand 1882 nahm er verschiedene Positionen in der Regierung ein. Die Politik ließ Revels nicht mehr los.
Im Januar 1901 starb Hiram Rhodes Revels in Aberdeen, Mississipi. Von Molefi Kete Asante, einem der führenden Professoren für afroamerikanische Studien, wurde er in die Liste der 100 bedeutendsten Afroamerikaner:innen aufgenommen.
Und in Deutschland?
11 Schwarze Abgeordnete im Bundestag – davon lässt sich momentan nur träumen. Erst 2013 zogen mit Karamba Diaby für die SPD und Charles M. Huber für die CDU die ersten Schwarzen Politiker ins Parlament ein. Bei den Wahlen 2021 folgten Sanae Abdi und Armand Zorn für die SPD sowie Awet Tesfaiesus für die Grünen.
Wenn man sich den Anteil der Abgeordneten mit Migrationshintergrund im Vergleich zum Gesamtanteil der Bevölkerung anschaut, sind diese unterrepräsentiert. 58 Personen, also 7,5 Prozent der Abgeordneten. Darunter fallen Menschen, die selbst oder deren Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit nicht von Geburt an hatten. Sollten sie die 22,5 Prozent der Bevölkerung widerspiegeln, müssten es 107 Abgeordnete mit Migrationshintergrund mehr sein. Schaut man nur auf die Bevölkerungsgruppe der Wahlberechtigten, ist der Unterschied mit einem Anteil von zehn Prozent deutlich geringer: Es fehlten dann nur noch 18 Abgeordnete zur Repräsentativität.
Hier findet ihr alle Beiträge zur Serie BLACK HISTORY MONTH 2022.
Titelfoto: Senator H. R. Revels, Gemälde von Theodor Kaufmann, zwischen 1861-1897. Boston Public Library