Rahmenbedingungen des Projektes „FREMD? Deutsche Teilungs- und Einigungsgeschichte“
Das Projekt „FREMD? Deutsche Teilungs- und Einigungsgeschichte“ haben wir im Rahmen des Bundesprogramms „Jugend erinnert“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur- und Medien von September 2021 bis Dezember 2023 durchgeführt. Koordiniert wurde die Programmförderlinie zum SED-Unrecht von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Kooperationspartner*innen in unserem Projekt waren: die Metropolregion Hamburg, die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, die Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, die Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern und das Hamburger Institut für Berufliche Bildung. Außerdem haben wir einzelne Bildungsveranstaltungen in Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteur*innen aus dem Bereich der Kultur- und Bildungsarbeit durchgeführt.
GRENZHUS Schlagsdorf
„Wir“ sind das GRENZHUS Schlagsdorf – Informationszentrum zur Innerdeutschen Grenze in Trägerschaft von Politische Memoriale e.V. Mecklenburg-Vorpommern. Im GRENZHUS wird die Geschichte der innerdeutschen Grenze zwischen Ostsee und Elbe von 1945 bis 1989 mit (regionalen) Geschichten aus Ost und West erzählt. Ein Highlight des Museums ist das Außengelände, auf dem ein rekonstruierter Abschnitt der DDR-Grenzsperranlagen (Schwerpunkt: 80er Jahre) zu sehen ist. Das GRENZHUS und seine Ausstellungsthemen waren der zentrale Ort für Bildungsangebote im Rahmen unseres Projektes.
Unser Projekt – Fragestellungen und Ziele
In unserem Projekt ging es um die Entwicklung, Durchführung und Evaluation von Bildungsangeboten und -materialien zum Thema der deutschen Teilungs- und Einigungsgeschichte und der Geschichte der SED-Diktatur für junge Menschen mit eigener Flucht- oder Migrationserfahrung bzw. einem Migrationshintergrund in der Familie.
Mit dem Projekt wollte sich das GRENZHUS verstärkt für alle Menschen im Einwanderungsland Deutschland öffnen und ein für das Haus neues Netzwerk mit Menschen, Organisationen und Institutionen schaffen. Ebenso sollte durch das Projekt die Bildungsarbeit am GRENZHUS weiterentwickelt werden.
Eine zentrale Frage im Projekt war es, thematische und methodische Anknüpfungspunkte zu finden und in Bildungsangeboten umzusetzen, die für Menschen mit eigener Flucht- oder Migrationserfahrung besonders relevant sein könnten. Ebenso ging es um die Frage nach möglichen spezifischen Bedürfnissen dieser Zielgruppe, die wir in unserer Bildungsarbeit berücksichtigen sollten.
Um diesen grundsätzlichen Fragestellungen nachzugehen, begannen wir das Projekt mit einem Expert*innenworkshop. Zu dem Workshop luden wir Menschen ein, die bereits langjährige Erfahrungen in der Bildungsarbeit für Menschen mit eigener Migrations- oder Fluchterfahrungen haben und teilweise selbst eine Migrationsgeschichte haben. Aus diesem Workshop konnten wir viele wertvolle Impulse für unsere Projektarbeit mitnehmen.
Unser Projekt – Grundsätze der Bildungsarbeit
Alle Bildungsangebote – bis auf eine Ausnahme – waren für die Teilnehmer*innen kostenfrei. Ebenso konnten für Einzelpersonen und Gruppen Fahrtkostenzuschüsse gegeben werden.
Zentraler Grundsatz für die Entwicklung und Durchführung von Bildungsangeboten war die Gestaltung von individuellen Angeboten, die sich an den Interessen und Bedürfnissen der jeweiligen Gruppen orientieren. Außerdem zentral für uns waren die Einbindung der Lebenswelt- und Gegenwartsbezüge und der eigenen Erfahrungen der Teilnehmenden sowie die Ermöglichung des Austauschs untereinander. Konkret bedeutete dies, dass wir über die Auseinandersetzung mit der deutsch-deutschen Geschichte und damit zusammenhängenden Themenfeldern einen (freiwilligen) Bogen zu gegenwärtigen Geschehnissen und persönlichen Erfahrungen schlagen wollten. Anknüpfungsmöglichkeiten für eigene Erfahrungen konnten durch übergeordnete Themen wie Heimat(verlust), Zugehörigkeit, Identität, Weggehen und Ankommen in einer neuen Gesellschaft, Fluchterfahrungen geschaffen werden. Ebenso verbindende Themen waren beispielsweise Menschenrechte und gesellschaftliche Werte.
Grundsätzlich entschieden wir, alle Bildungsangebote in deutscher Sprache durchzuführen. Geplant waren die Angebote für Menschen mit einem Deutschsprachniveau ab B1, im Laufe des Projektes zeigte sich aber, dass wir ebenso Bildungsangebote für Menschen durchführen konnten, deren Deutschsprachniveau noch nicht B1 entsprach. Von einigen Teilnehmer*innen erfuhren wir, dass der Effekt neben dem Kennenlernen der Inhalte zur deutsch-deutschen Geschichte auch die eigenen Sprachkenntnisse verbessern zu können, einen zusätzlichen Anreiz für die Teilnahme darstellte.
Als Grundpfeiler in der Bildungsarbeit, die von vornherein feststanden, deren Bedeutung sich aber im Laufe des Projekts immer weiter herauskristallisierte, sind zu nennen: Empathie, Freiwilligkeit und Sensibilität.
Unser Projekt – Umsetzung und Ergebnisse
Insgesamt haben wir im Rahmen unseres Projektes 19 Gruppen mit ca. 360 Teilnehmer*innen aus dem gesamten Bundesgebiet (Schwerpunkt Norddeutschland) erreicht. Sie haben entweder an individuell gestalteten Führungen, Workshops, Seminarwochenenden oder Projektwochen teilgenommen oder an unseren zwei frei ausgeschriebenen Sommerkursen „Das geteilte Deutschland“. In den Sommerkursen haben wir uns zum einen mit der deutschen Teilungs- und Einigungsgeschichte auseinandergesetzt und zum anderen die angesprochenen Themen künstlerisch in Form von Comics verarbeitet. Aus den entstandenen Comics haben wir inzwischen eine Sonderausstellung entwickelt.
In unserem Projekt ist außerdem eine Sammlung an Bildungsmaterialien entstanden, die zu vier Schwerpunktthemen zur deutsch-deutschen Geschichte Informationen, Methoden und Aufgaben enthält. Schwerpunktthemen der Bildungsmaterialien sind: Innerdeutsche Grenze, Zwangsaussiedlungen, Flucht & Migration (deutsch-deutsch) und die Friedliche Revolution.
Die Bildungsmaterialien sind kostenfrei auf der Homepage des GRENZHUS abrufbar und können für die Vor- und Nachbereitung eines Besuchs im GRENZHUS und auch vor Ort im Museum genutzt werden (abrufbar unter: https://www.grenzhus.de/projekt-deutsche-teilungs-und-einigungsgeschichte/ unter der Überschrift „Bildungsmaterialien“).
Ein weiteres Ergebnis des Projekts, das wir ebenfalls bereits häufig in der Bildungsarbeit eingesetzt haben, ist ein digitales Quiz durch die Dauerausstellung des GRENZHUS in Form einer Actionboundrallye.
Herausforderungen, Erfahrungen und Lerneffekte aus unserem Projekt
Eine Kernherausforderung im Projekt war das Knüpfen von Kontakten und der Aufbau eines Netzwerkes, was viel Zeit und Kommunikation in Anspruch genommen hat. Es zeigte sich wieder, dass persönliche Kontakte und die direkte Ansprache dabei besonders wichtig waren.
Eine weitere Herausforderung im Projekt, aber auch generell für unsere Bildungsarbeit, ist die Lage des Museums im ländlichen Raum mit leider schlechter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Dies erfordert viel Organisation und auch finanzielle Mittel, um die An- und Abreise sowie ggf. die Übernachtung zu planen. Wenn es die finanziellen Mittel zulassen, ist eine Anreise mit einem gemieteten Reisebus für Gruppen die einfachste Möglichkeit. Alternativ können Gruppen bis zum nächstgelegenen Bahnhof Ratzeburg mit der Bahn fahren. Von dort können wir einen Shuttleservice mit Kleinbussen bestellen, der allerdings auch mit Fahrtkosten verbunden ist.
Herausfordernd war ebenfalls die Vermittlung eines komplexen Themas mit schwierigen Begrifflichkeiten für Gruppen mit unterschiedlichen Deutschsprach-Kenntnissen. Hier zeigte sich einmal mehr der Vorteil der Anschaulichkeit eines Museums: Anhand von Objekten, Fotos und Karten in Verbindung mit einer möglichst einfachen Sprache gelang der Austausch über die Inhalte.
Im Projekt ist die Bedeutung und der Vorteil von zeitlich längeren, mehrstündigen oder sogar mehrtägigen Bildungsformaten wieder deutlich geworden. Besonders in solchen Formaten entsteht Raum zum Kennenlernen, Austauschen und auch Raum zum Erzählen von eigenen Erfahrungen. Genügend Zeit ist auch wichtig, um Verständnisschwierigkeiten zu klären und sprachliche Herausforderungen zu lösen.
Die potentiell große Emotionalität des Themas (und die damit verbundene Gefahr der Re-Traumatisierung), gerade für Menschen, die selbst geflüchtet oder migriert sind, hat uns während des Projektes dauerhaft als Fragestellung begleitet. Wichtig war in diesem Zusammenhang eine von vornherein transparente und offene Kommunikation mit den Gruppen/den Einzelpersonen über das Programm und die Abläufe. Eine emphatische und sensible Bildungsarbeit, die eine vertrauensvolle und herzliche Atmosphäre ermöglicht, war ebenso grundlegend. Manche Gruppen hatten außerdem die Möglichkeit, Sozialarbeiter*innen als Begleitung mitzubringen, was eine hilfreiche Unterstützung für den Museumsbesuch darstellte.
Besonders gewinnbringend war die Zusammenarbeit mit Partner*innen aus verschiedenen Bereichen der Kultur- und Bildungsarbeit, sodass wir verschiedene methodische Ansätze nutzen konnten. Dazu gehörten u.a. musische, erlebnispädagogische und künstlerisch-kreative Methoden. Diese Ansätze konnten wir mit Methoden der historisch-politischen Bildungsarbeit verbinden.
Die Verknüpfung von historischen und gegenwärtigen Fragestellungen über das Thema „Grenze(n)“ und damit zusammenhängenden Fragestellungen geschah im Projekt häufig schnell und „automatisch“ durch eigene Erfahrungen, die die Teilnehmer*innen miteinbrachten. Dies sorgte für eine Öffnung und Weitung des Themas, das weit über Fragen der deutschen Teilung und Einigung hinausging und eine Bereicherung für die Arbeit an unserem Museum darstellt(e).
Nach dem Projekt – Wie geht es weiter?
Wir freuen uns sehr, dass einige Kontakte aus unserem „Jugend erinnert“-Projekt bestehen bleiben und bereits neue Projekte mit einigen Gruppen angestoßen wurden. Wir nehmen viele Erfahrungen und die entstandenen Bildungsmaterialien aus dem Projekt mit und binden sie in unsere Bildungsarbeit ein.
Interessierte Gruppen sind jederzeit am GRENZHUS willkommen! Wir stellen gerne ein individuelles Programm für jede Gruppe zusammen. Wir empfehlen für einen Besuch, der über eine Führung hinausgeht, mindestens 2,5 Stunden einzuplanen.
Da die Projektförderung ausgelaufen ist, können wir den Besuch am GRENZHUS leider nicht mehr kostenfrei anbieten. Je nach Gruppengröße, -zusammenstellung und gewähltem Bildungsformat erheben wir eine Eintritts- und Führungsgebühr.
Bei der Planung der Anreise können wir gerne behilflich sein und Empfehlungen geben. Ebenso bei der Beantragung von finanzieller Unterstützung für Gruppen. Beispielsweise die Landeszentralen für politische Bildung und Stiftungen können für eine finanzielle Unterstützung in Frage kommen.
Melden Sie sich gerne bei uns. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
Kontakt: info@grenzhus.de , 038875/20326
Titelbild: Projekt-Logo